Circular Design – Produkte nachhaltig entwickeln
"Anyone who thinks that you can have infinite growth on a planet with finite resources is either a madman or an economist."
Viele haderten mit diesem Satz von Sir David Attenborough – vielleicht, weil sie sich persönlich angegriffen fühlten oder weil sie darin ein Anzählen unseres Wirtschaftssystems sahen. Dabei kann man den Satz auch wie folgt lesen: Nur wenn man bewusst mit den verfügbaren Ressourcen dieses Planeten umgeht und die Lebenszyklen der erschaffenen Produkte verlängert, kann langfristiges Wachstum gelingen.
Die Quadratur des Kreises
Die Herausforderung der nachhaltigen und ressourcenschonenden Produktentwicklung liegt nicht erst seit gestern auf der Agenda - Die Bezeichnung „Recyclingweltmeister“ schreiben wir Deutschen uns schließlich seit Jahren auf die Brust. Wir haben der Industrialisierung den Rücken gekehrt und uns den Paradigmen einer Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) verschrieben, in der Ressourcen effizient genutzt und Produkte oder Produktteile in vielfältiger Form wiederverwendet werden können.
Diese Paradigmen wirken zwar für die meisten unter uns ökologisch sinnvoll, jedoch findet die Anwendung immer noch viel zu selten statt. Das liegt aber nicht daran, dass es neben den ökologischen keine ökonomischen Reize geben würde – Ganz im Gegenteil. Es liegt eher an alteingefahrenen Produktions- und Konsummustern der Linearwirtschaft (Linear Economy).
Dabei erfordert eine Kreislaufwirtschaft den Wegwurf der Wegwerfgesellschaft. Eine radikale Abkehr des linearen Produktionskonzepts des „Take, Make, Dispose“, in dem schlicht Rohstoffe gewonnen werden, um Produkte zu schaffen, die schlussendlich im Müll landen. Doch diese Abkehr ist nicht einfach zu vollziehen und auch im konventionellen Design scheint sich die lineare Denke eines endlichen Produktes hartnäckig zu halten.
Die Zukunft des Designs ist kreisförmig
Das meint zumindest niemand geringeres als Tim Brown von IDEO – Der Schmiede des Design Thinkings. Während wir bereits seit den 80er Jahren durch die Thematik des Recyclings von einer Kreislaufwirtschaft sprechen, sieht IDEO im Circular Design nicht nur eine Weiterentwicklung des Design Thinkings, sondern -wenn man so will- eine Kreislaufwirtschaft 2.0.
“If it can’t be reduced, repaired, rebuilt, refurbished, refinished, resold, recycled or composted, then it should be restricted, redesigned or removed from production.”
Seinen Ursprung fand der Begriff Circular Design 2012 in der ersten Veröffentlichung der Ellen MacArthur Foundation namens „Towards the Circular Economy Vol. 1: an economic business rationale for an accelerated transition“, in dem grundlegende Verbesserungen hinsichtlich Materialauswahl und Produktdesign als Kernstück einer Kreislaufwirtschaft beschrieben werden.
Deswegen ist es auch wenig verwunderlich, dass IDEO und die Ellen MacArthur Foundation sich gemeinsam dazu entschlossen, einen „Circular-Design-Guide“ zu verfassen, welcher nahezu wie eine Schritt für Schritt Anleitung für ein Mindset im Sinne des Circular Designs daherkommt.
In 24 Modulen können sich hier Unternehmen und Designer darüber informieren, wie sie für eine moderne Kreislaufwirtschaft Produkte gestalten und neue Geschäftsmodelle entwerfen können. Und hierin liegt auch schon der größte Unterschied zum Design Thinking – Es geht nicht nur um einzelne Produkte, sondern um ganze Unternehmen und Systeme.
“Designers and entrepreneurs tend to be familiar with designing for an end user. Effective circular design looks beyond a single product lifecycle for a single user, to designing a bigger system – one that creates more value by enabling multiple usages and users of that material.”
Design ist essentiell für eine funktionierende, moderne Kreislaufwirtschaft, die natürlich weiterhin Ressourcen, Produktionsweisen und –bedingungen im Blick haben muss, aber eben zusätzlich auch den Fokus auf das gesamte System samt Nutzung und Nachnutzung legt. Es geht um ein höheres Verständnis ökologischer Prinzipien, welche Mehrwert in ihrer Nachhaltigkeit mit stetiger Optimierung vereinen.
Produkt & Service – Rundum nachhaltig
Dass Circular Design über rein handfeste Produkte hinausgeht, hat übrigens eines der ersten Erfolgsprojekte mit der niederländischen Firma Philips gezeigt. Als der Flughafen Schiphol in Amsterdam seine Beleuchtung ersetzen wollte, entwickelte Philips sein Light-as-a-Service-Modell.
Hierbei werden speziell benutzerdefinierte Leuchten erstellt, die sich energiesparend automatischen an die Bedingungen anpassen und deren Komponenten einzeln ausgetauscht werden können. Der Flughafen bezahlt so nicht einmalig für die Glühbirnen, sondern für die Dienstleistung als sogenanntes „Pay per Lux“.
Philips bleibt somit Eigentümer der Materialien, die als Ressourcenbanken verstanden werden, und kümmert sich um deren Wartung sowie Recycling. Das erarbeitete Dienstleistungs-Modell führte sowohl zu niedrigeren Kosten- wie auch Energieeinsparungen und stellte sich als Win-Win-Situation für Kunden und Unternehmen heraus.
Gleichzeitig zeigte das Projekt, dass beim Circular Design der ökologische Gedanke mit dem ökonomischen Gedanken vereinbar ist und dass die ganzheitlich praktizierte Systemsicht zu mehrwertigen Lösungen führt. So kann das Setup dank des modularen Designs einfach angepasst oder mit neuerer Technik aktualisiert werden.
Nachhaltigkeit in der User Experience
Als Designer steht man sowohl an vorderster Front bei der Entwicklung neuer Produkte&Services als auch in der Verantwortung seine Kunden über den nachhaltigen Mehrwert seines Schaffens aufzuklären und zu schulen. Deshalb sollten die Paradigmen des Circular Design auch im User Experience Design die notwendige Gewichtung finden, da es gerade hier darum geht, nicht irgendetwas zu produzieren, sondern einen klaren Plan davon zu haben WAS und für WEN man denn da überhaupt produziert.
UX als Expertise kann daher kontinuierlich durch den Schaffensprozess verinnerlichen, dass man mehrwertige Produkte nur dann entwickeln kann, wenn die Forschungsgrundlage fundiert ist und auf den tatsächlichen Bedürfnissen der Nutzer beruhen. Es liegt schlichtweg nicht in der DNA der UX nach Einwegartikeln zu streben.
Das Ziel ist immer eine enge sowie langfristige Nutzer- und Kundenbeziehung aufzubauen, die ein Produkt oder Service durch all seine Entwicklungen und Optimierungen begleitet. Vielleicht sollten wir uns daher an ein Leitmotiv aus dem Circular-Design-Guide halten: Jegliches Produkt und jeglichen Service basierend auf fundiertem Feedback zu gestalten, sodass es kein endgültiges „Fertig“ gibt und eine stetige Weiterentwicklung nicht nur erwünscht, sondern verbindlich ist.