Dark Patterns – Taktiken der nutzerzentrierten Manipulation

Veröffentlicht am 11. March 2022

forwerts Team

Der verwunderte Aufschrei „Das habe ich doch gar nicht geklickt“ oder das aus Bequemlichkeit geborene „Ja, alles akzeptieren“ sind Reaktionen, die nicht nur technikaversen Menschen in der digitalen Welt zugeschrieben werden können. Im Prinzip jeder, der sich schon mal in den Weiten des Internets verloren hat, fand sich schon einmal ungewollt auf einer Webseite oder in einer Anwendung wieder, obwohl doch nur das große X zum Schließen eines Pop-up-Fensters gedrückt wurde. Genauso wie jeder schon mal die aufpoppenden Privatsphäre-Einstellungen schlicht akzeptierend weggeklickt hat, um schnellstmöglich Zugriff auf die Seiteninhalte zu haben.

Während Zweiteres tatsächlich häufig einem gewissen Desinteresse geschuldet ist, kann Ersteres nicht so einfach mit einem „Was habe ich denn nun falsch gemacht?“ geklärt werden. Denn oftmals machen die Nutzer gar nichts falsch, wenn sie verzweifelt versuchen ein Cookie-Banner zu schließen oder ein Pop-up zu deaktivieren. Sie folgen ja lediglich der gelernten Sprache − den gewohnten Mustern −, die sie normalerweise zum gewünschten Ergebnis führt.

Doch warum führen uns manche Funktionen in die Irre? Wie kann es sein, dass Websites und Apps uns immer wieder dazu bringen, Dinge zu tun, die wir ursprünglich gar nicht machen wollten?

 

Tricks für Klicks – Täuschung mit Methode

Beim Aufrufen einer neuen Website oder der erstmaligen Nutzung einer Applikation machen sich die Nutzer in Sekundenschnelle einen Eindruck davon, wie ihnen die Gestaltung gefällt und welche Funktionen sich ihnen bieten. Dies geschieht nahezu automatisch, da das Gros der Nutzer über angelerntes Vorwissen im Umgang mit digitalen Medien verfügt. Die bisherigen Erfahrungen und bekannten Muster werden also abgeglichen, sodass sich die Nutzer im Sinne der User Experience direkt zurechtfinden und in Interaktion mit der Anwendung treten können.

Die Benutzeroberfläche ist dabei so gestaltet, dass die Nutzer auf dem Weg zur gesuchten Information begleitet und geleitet werden, ohne sie dabei in ihrer Handlungsfähigkeit zu beschneiden. Dieses Lenken der Nutzer hin zu einem gewünschten Ziel, welches eher einer Hilfestellung gleichen sollte, kann durch subtile, aber wirksame Mittel manipuliert werden, um die vom Anbieter gewünschte Wirkung zu erzielen, die aus Unternehmenssicht verständlicherweise auf Profit sowie mehr Klicks ausgelegt ist. Die hierbei genutzten Taktiken der Täuschung, die oftmals am Rande der Legalität eingesetzt werden und das eigentliche Nutzerinteresse außer Acht lassen, sind als Dark Patterns bekannt, auf welche der UX-Spezialist Harry Brignull seit 2010 aufmerksam macht.

 

Versteckt und Verkleidet – Bekannte Dark Patterns

Privacy Zuckering: Die eigenen Privatsphäre-Einstellungen zu finden und vor allem zu kontrollieren ist bei vielen Social Media Plattformen gefühlt immer noch Glückssache. Irreführendes Wording und versteckte Buttons verleiten geradezu dazu, dass man mehr teilt als einem lieb ist. Nicht nur in den Anfangstagen von Facebook, dessen CEO hier als Namensgeber fungiert, war es Standard, dass man beim Thema Privatsphäre mit einem Klick einfach allen Zugriffsrechten auf Seiten des Anbieters zustimmen konnte, aber multiple Klicks brauchte, um irgendetwas abzulehnen. Dass man dabei seine Daten zur freien Einsicht stellt, war indes kaum zu erkennen. Nicht gerade wenige Webseiten führen dieses Prinzip der erschwerten Datenkontrolle weiter, indem bei Cookie-Bannern oft nur das Opt-In als Button hervorgehoben wird, während „alles ablehnen“ hinter einem Konvolut weiterer Einstellungen versteckt ist oder erst „erscrollt“ werden muss.

Confirmshaming: Auch im Zusammenhang mit Privacy Zuckering nutzen viele Anbieter das sogenannte Confirmshaming. Wollen Nutzer etwas ablehnen, wird Ihnen hier erst noch ein schlechtes Gewissen eingeredet: „Bist du sicher?“, „Nur so können wir dir die beste Erfahrung ermöglichen.“, oder das in Newsletter beliebte „Willst du nicht über unsere tollen Angebote informiert werden?“. Den Nutzern wird schlicht eingeredet, dass sie etwas verpassen könnten und dass sie einen Fehler begehen. Auf die Spitze getrieben wird dies auch bei einigen kostenpflichtigen Angeboten. Wer sein Abo kündigen möchte, dem wird zunächst ein toller Preisnachlass geboten, bevor die Kündigung durch den ebenso tollen Button mit der Aufschrift „Nein Danke, ich zahle lieber Vollpreis“ abgeschlossen werden kann.

Hidden Costs: Das Prinzip der versteckten Kosten ist recht einfach. Hier wird den Nutzern der tatsächliche Endpreis, mit Steuern, Lieferung oder weiteren Zusatzkosten, so lange wie möglich vorenthalten. Man findet bei einem Onlinehändler ein Produkt, welches mit 20 € ausgewiesen ist. Man legt es in seinen Cart, wo es immer noch 20 € kostet. Man gibt seine Kontakt- sowie Zahlungsdaten an und hangelt sich durch mehrere Formulare. Schlussendlich landet man auf der Bestellübersichtsseite und wird mit Zusatzkosten konfrontiert, die über den gesamten Prozess hinweg nicht ersichtlich waren. Der Nutzer wird nun mit zwei Möglichkeiten zurückgelassen: Entweder schmeißt er die investierte Zeit aus dem Fenster und startet bei einem anderen Anbieter seine Suche von vorne oder er bestellt das mühevoll gefundene Produkt zähneknirschend trotzdem.

Roach Motel: Hier wird es den Nutzern einfach gemacht, in eine bestimmte Situation hineinzufinden, dafür aber umso schwieriger, aus derselben wieder herauszufinden – ähnlich dem Privacy Zuckering. Dieses Pattern ist recht gängig, wenn es um die Erstellung und spätere Löschung eines Accounts geht. Will man z. B. bei Amazon einen neuen Account eröffnen, geht alles so schnell und einfach von der Hand, dass man den Machern hierzu nur gratulieren kann. Will man diesen Account nun aber wieder löschen, muss man zunächst seine Recherchefähigkeiten unter Beweis stellen, damit man diese Option überhaupt findet und unverhältnismäßig oft über verschiedenste Eingaben bestätigen kann. Dieses Prinzip wird auch bei manchen Onlinehändlern in Kombination mit Hidden Costs angewandt. Dem Nutzer wird z. B. ein Abonnement eines externen Magazins mit in den Warenkorb gelegt, auf welches nur im Kleingedruckten verwiesen wird. Übersieht der Nutzer bei der Bestellung diesen „Bonus“ und lehnt ihn nicht ab, darf er sich nach dem Blick auf den kommenden Kontoauszug auf die schriftliche Kündigung eines Abos freuen, welches er nie willentlich abgeschlossen hat.

 

Nutzerzentriert bedeutet im Sinne der Nutzer

Es gibt leider noch viele weitere Beispiele dieser Dark Patterns im digitalen Kontext und auch in der analogen Welt begegnen sie uns in ähnlicher Form seit langem. Unerwünschte Werbung oder Prospekte im Briefkasten sind genauso Teil einer Verbrauchermanipulation wie die langsam aussterbenden unangekündigten Haustürbesuche von Vertretern. Wird man mitten auf der Straße von Werbenden oder Verkäufern angesprochen, erzielt dies sogar einen höheren öffentlichen Partizipationsdruck, den die digitale Welt in diesem Zusammenhang nur bedingt ausüben kann.

Die verschiedenen Dark Patterns versprechen dabei immer nur kurzfristige Erfolge, die auf Gewinne und Klicks aus sind. Eine langfristige sowie positive Beziehung zu den Nutzern, welche auf guten Erfahrungen, Vertrauen und Transparenz beruht, können sie nicht leisten, sondern untergraben diese nur. Denn egal wie gut versteckt diese Nutzermanipulationen auch sind, irgendwann fallen sie auf. Und die Unternehmen, welche damit in Verbindung gebracht werden, bekommen die Frustrationen der getäuschten Nutzer mit voller Breitseite zu spüren. Durch die DSGVO sind viele dieser Praktiken wie ein kaum zu bewältigender Abmeldevorgang von einem Newsletter oder das intransparente Sammeln von Daten sowieso kaum noch umsetzbar. Nichtsdestotrotz ist dieser Umgang mit den Nutzern vor allem eine Frage der Ethik. Wir alle − Anbieter, Entwickler und Nutzer mit eingeschlossen − bestimmen schließlich selbst, wie wir Tools und Technologien einsetzen wollen, die eben nicht von Anfang an eine bewusst manipulative Ader aufweisen.

Gutes User Experience Design arbeitet nicht entgegen dem Interesse des Nutzers, sondern im besten Interesse des Nutzers. Dies bedeutet transparente, nahtlose und angenehme Interaktionen zu bieten, die den Nutzer in seiner Kontrolle und Wegfindung bestärken. Deswegen sollten anwenderorientierte Methoden wie Behavioural Design und/oder Gamfication bei der Schaffung eines optimalen Nutzerverhaltens als Leitlinien gelten, die im Gegensatz zu Dark Patterns die Interessen der Anbieter und Nutzer gleichermaßen berücksichtigen sowie eine User Experience ermöglichen, welche die Freiheiten und Rechte der Nutzer respektiert und zelebriert – spielerisch, motivierend und kreativ.

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Quellen:

https://www.forbrukerradet.no/undersokelse/no-undersokelsekategori/deceived-by-design/

https://edit.co.uk/blog/how-design-can-manipulate-users/

https://uxdesign.cc/user-manipulation-thinking-beyond-dark-patterns-3d17cf408753

https://www.darkpatterns.org

https://www.usability.de/blog/dark-ux-patterns-die-dunkle-seite-der-macht.html

https://www.system-concepts.com/insights/persuasive-design-vs-dark-patterns/

https://www.bmj.de/DE/Verbraucherportal/KonsumImAlltag/Haustuergeschaefte/Haustuergeschaefte.html

https://www.netzwoche.ch/news/2019-10-21/die-dunkle-seite-der-user-experience

https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/digitale-welt/onlinedienste/dark-patterns-so-wollen-websites-und-apps-sie-manipulieren-58082

https://piwik.pro/blog/how-dark-patterns-conflict-with-gdpr-ccpa/

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