Design as a Service – Think like a Designer

Veröffentlicht am 05. August 2022

Julian Schwarz

Die Kompetenzen der reinen Produktgestaltung reichen in Zeiten der Digitalisierung nicht mehr aus, um wahrhaft mehrwertige Produkte und Services zu erschaffen. Erfolgreiche Unternehmen wie Apple oder Adobe zeigen bereits seit Jahren, dass Design als Teil einer ausgefeilten Gesamtstrategie den entscheidenden Erfolgsfaktor darstellt, wenn es um Innovationen und das Absetzen vom Wettbewerb geht. Design hat dabei aber nicht nur eine ästhetische Funktion, sondern wird als holistischer Ansatz verstanden, der über alle Abteilungen hinweg gelebt wird und die vermehrte Beschäftigung mit dem Endkunden gewährleistet.

Von vielen Unternehmen, die das Thema Design etablieren wollen, erfordert dies eine gewisse Neuausrichtung und das Aufbrechen innerbetrieblicher Strukturen. Deshalb geht es zunächst in erster Linie um Aufklärung und das Adaptieren eines wahrhaft lösungs- und nutzerorientierten Mindsets, das in einem dedizierten Design-Team vielleicht erste Früchte trägt, aber im Sinne eines allumfassenden Wandels schlussendlich im gesamten Unternehmen seine Wirkung entfalten soll. Doch wie kann ein solcher Mindset Change überhaupt eingeleitet werden, wenn die Bedeutung von Design zumeist verkannt wird? Und wie kann Design organisch innerhalb eines Unternehmens wachsen, wenn Experten weiterhin eine Seltenheit darstellen?

 

Service und User Experience Design

Traditionell wird klar zwischen greifbaren, konsumierbaren Waren und immateriellen Dienstleistungen/Services unterschieden. Gerade im Kontext eines digitalen Rahmens werden heutzutage Produkte und Dienstleistungen jedoch immer häufiger kombiniert, wodurch eine Trennung in vielen Bereichen kaum noch möglich ist. So kauft man z. B. ein Buch als Datei (Produkt), auf die nur mithilfe einer Anwendung (Service) zugegriffen werden kann. Die zunehmende Komplexität solcher Dienste geht dabei oft mit einer unzureichenden Benutzererfahrung einher, da sowohl Service Design als auch User Experience Design weiterhin nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Da digitale Interaktionen häufig über das Wachstum entscheiden, stellt die User Experience trotzdem für die meisten Unternehmen kein Fremdwort mehr da, wenn es darum geht, die Komplexität hinsichtlich der Benutzererfahrung zu lösen. Die User Experience umfasst dabei die gesamte Bandbreite an Interaktion der Endbenutzer mit einem Unternehmen samt der bereitgestellten Services und Produkte. Das Etablieren von UX-Standards ist daher ein facettenreiches Unterfangen, das oftmals über Jahre hinweg entwickelt und konkretisiert werden muss, um tatsächlich alle Berührungspunkte im Sinne einer optimalen Nutzererfahrung zu gestalten. Es dreht sich hierbei also um das WAS. Was begegnet den Nutzern, wenn sie mit dem Unternehmen und seinen Services/Produkten interagieren? 

Service Design hingegen umfasst ebenfalls die Customer Experience, jedoch geht es hierbei vor allem auch um die Prozessentwicklung und Mitarbeitererfahrung. So werden den Mitarbeitern notwendige Werkzeuge in Kombination mit etablierten Methoden an die Hand gegeben, wodurch interne Prozesse optimiert werden können und ein höheres Verständnis hinsichtlich der Nutzer vermittelt wird. Service Design verbessert demnach sowohl die Erfahrungen des Nutzers als auch des Mitarbeiters, indem es die Abläufe eines Unternehmens entwirft, ausrichtet und optimiert, um die Customer Journeys besser zu unterstützen. Vereinfacht gesagt geht es um das WIE. Wie wird die Benutzererfahrung gestaltet und wie werden die internen Abteilungen einer Organisation ausgerichtet, um solch eine Erfahrung zu liefern?

 

Der Schritt zu Design as a Service

Schlussendlich müssen UX und Service Design Hand in Hand gehen, da es zum einen nichts nützt, etwas zu entwickeln, das vom Endbenutzer weder benötigt noch verwendet wird, und zum anderen kann eine gute Nutzererfahrung nur dann erfolgreich gestaltet werden, wenn die Personen und Prozesse, die bei der Gestaltung mitwirken, die notwendige Berücksichtigung erfahren. Trotzdem werden in vielen Unternehmen Produkte und Services weiterhin einfach nach Schema F entwickelt. Dies ändert sich zumeist erst, wenn ein Mitarbeiter dazustößt, in dessen Universum UX bereits existiert – sei es aufgrund eines vorherigen Jobs oder anderweitig angeeignetem Wissen.

Ein einzelner Designer wird aber nicht die gesamte Organisation auf seine Seite ziehen, zumal Design gerade im Topmanagement oftmals schlicht mit Kreativität gleichgesetzt wird, was es zu einem rudimentären Beiprodukt macht, welchem kein gesonderter Fokus zuteilwerden sollte. Wird trotzdem der Entschluss gefasst, Design im Unternehmen zu etablieren, wird normalerweise direkt mit dem Aufbau eines Design-Teams gestartet oder es werden die Dienste einer Agentur eingekauft. Das Problem dabei ist aber, dass Designer und vor allem UXler rar gesät sind. Ein Design-Team einfach aus dem Boden zu stampfen, das im Optimalfall wie ein Halo-Effekt direkt auf andere Abteilungen abstrahlt, ist daher oft ein hehres Unterfangen.

Deshalb muss Design zunächst von der Führungsebene aus als Erfolgsfaktor deklariert und eine klare strategische Bedeutung beigemessen werden. Design ist nicht etwas, dass man sich einfach ins Haus holen kann, sondern muss als Teil einer neuen Unternehmenskultur verstanden werden. Ein erster Reifegrad und somit auch der Startschuss für Design as a Service kann daher nur dann erreicht werden, wenn sich die Führungsebene tatsächlich bewusst für Design und nutzerzentriertes Denken entscheidet, damit in Zukunft ein unternehmensübergreifender Change des mentalen Modells eingeleitet werden kann. Neben einer gewissen Offenheit gegenüber Neuem bedarf dies aus Unternehmenssicht auch eine Abkehr von der traditionellen IT-Denkweise. Denn Unternehmen wird beim Design as a Service-Modell keine Software angeboten, sondern Expertise. Wissen, das verbreitet werden soll und das Unternehmen dazu befähigt, selbstständig nach Designaspekten zu arbeiten.

Der Experte als Guide und Enabler

Gerade zu Beginn sollte deshalb die Komplexität herausgenommen und für Akzeptanz gesorgt werden, um alle auf den gleichen Wissensstand zu bringen. Den Teammitgliedern muss zunächst einmal aufgezeigt werden, warum Design und das Einnehmen der Nutzerperspektive überhaupt Vorteile mit sich bringt. Die Rolle des Experten ist daher eher die eines Lehrers und Moderators. Ein Guide, dessen wichtigste Aufgabe es ist, Verständnis zu schaffen und Grundlagen sowie Werkzeuge aufzuzeigen, die es den Mitarbeitern erlauben, alleine die ersten Schritte zu gehen. Hierbei hilft es oftmals bereits einfach etablierte Tools wie Design-Libraries, Persona Gruppen zur Validierung oder Testing-Verfahren, und gleichzeitig Referenz-Stories sowie -produkte bereitzustellen, die einen Orientierungsrahmen bilden.

Beim Thema Befähigung geht es schließlich nicht darum, dass die hinzugeholten Experten Design umsetzen, sondern die Mitarbeiter selbst. Nur so kann das Thema Design organisch in und mit dem Unternehmen wachsen. Nach dem Motto Think like a Designer gehen wir bei forwerts bei der Methode Design as a Service deshalb sogar so weit, dass wir die Projektvorhaben mit Styleguides und anderen Tools so zusammenstellen, sodass gar kein dedizierter Designer mehr benötigt wird. Ein Leitfaden bzw. ein Guide Book soll die Mitarbeiter dazu befähigen, selbstständig Designentscheidungen zu treffen und zudem auch zu erkennen, wo der eigene Wissensstand vielleicht doch nicht mehr ausreicht. Die Mitarbeiter können so aus eigenem Impuls oder durch minimales Nudging einen Bedarf erkennen.

Design as a Service zeigt den Nutzern sozusagen an, wann es notwendig wird, einen Experten zu Rat zu ziehen oder einen UX Designer einzukaufen. Dies ist deshalb wichtig, da niemandem das Hilfesuchen aufgezwungen und die intrinsische Motivation gefördert werden soll, die für einen grundsätzlichen Wandel hin zu einer nutzerzentrierten Arbeitsweise unabdingbar ist. Die Mitarbeiter entwickeln durch diese Eigenmotivation ein ganz neues Bewusstsein für Prozesse und Methodiken und die Teilorganisation fängt von sich aus an, besser nutzerzentriert zu denken. Hierdurch wächst nicht nur das Verständnis hinsichtlich UX und Service Design, sondern die Teammitglieder sehen sich auch eher in der Lage, abteilungsübergreifend Aufklärung zu betreiben und mit den neu gewonnenen Erkenntnissen einen wahrhaftigen Wandel innerhalb des Unternehmens herbeizuführen.

 

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Quellen:

 

https://medium.com/getmayon/what-is-design-as-a-service-how-does-it-help-your-brand-59cc33c4cee6

 

https://www.nngroup.com/articles/service-design-101/

 

https://www.zdnet.com/article/deciphering-the-5-most-important-stages-of-ux-design/

 

https://www.ceoinsightsindia.com/industry-insider/designasaservice-daas-done-right-nwid-4817.html

 

https://t3n.de/news/design-thinking-wettbewerbsvorteil-656955/

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