Die Cloud – Ein Stück vom Himmel oder Abgesang im Wolkenkuckucksheim

Veröffentlicht am 08. July 2022

Marco Sturm

Das Hosting von Software-Lösungen und Plattformen via Cloud Computing hat sich im vergangenen Jahrzehnt von einem von vielen eher kritisch beäugten IT-Modell zu einem allgegenwärtigen Standard entwickelt, der es sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen einfacher ermöglicht, diverse Aktivitäten in die digitale Welt zu verlagern. Gerade Großanbieter wie Microsoft, Apple und Amazon erlauben, dank einer stetig wachsenden Anzahl eigener Rechenzentren, dass Nutzer allein durch das Besitzen einer Internetverbindung Zugriff auf eine endlos wirkende Palette an Services und Speicherkapazitäten erhalten.

Doch auch wenn sich allen voran Privatpersonen bereits seit Jahren mit den neuen Begebenheiten zurechtgefunden haben und sich die Nutzungsmöglichkeiten der Cloud auf immer komplexere Prozesse erstreckt, gibt es immer noch eine nicht geringe Anzahl an Kritikern, die vor einem Entgleiten der Daten und einem damit einhergehenden Kontrollverlust warnen. Ist die Cloud also nur ein zwielichtiges Konstrukt, welches jegliches digitale Leben in die vollkommene Abhängigkeit von den Anbietern stellt? Oder ist sie schlicht unabdingbar, um den steigenden Anforderungen einer global vernetzten Welt gerecht zu werden?

 

Ein Konzept wartet auf seinen Durchbruch

Die Geschichte des Cloud Computing ist in gewisser Weise weit älter als die einzelnen Komponenten, die das Arbeiten mit einer Cloud in den letzten Jahrzehnten erst möglich machten. So entwickelte Dr. Herbert R. J. Grosch bereits in den 50er Jahren Verfahren, die später die Basis für die Client-Server-Architektur legten, und erstellte erste Modelle darüber, wie die Verteilung der Daten und Aufgaben von wenigen großen auf viele kleine Recheneinheiten erfolgen könnte, um dem Verhältnis zwischen Geschwindigkeit und Kosten von Computern Rechnung zu tragen.

Darauf aufbauend propagierte im Laufe der 60er Jahre Dr. John McCarthy eine These, die fast schon einem Blick in die Zukunft glich. Er war der Ansicht, dass Datenbanken als öffentliche und gesellschaftliche Versorgungseinrichtungen verstanden werden müssen, um wahrhaft als Kollaborationswerkzeug zu dienen. Dieser Ansatz fing 1969 an sich zu manifestieren, als der Vorläufer des Internets, das Advanced Research Projects Agency Network (ARPANET), mit dem Ziel Universitäten miteinander zu vernetzen ins Leben gerufen wurde.

In den Folgejahren wurde, dank verschiedener Hardware-Entwicklungen wie Mikrochips zur Steigerung der Rechenleistung, die klassische Client-Server-Architektur realisiert, indem PCs Einzug in Unternehmen erhielten und gemeinsam auf das hauseigene Rechenzentrum zugreifen konnten. Die Erfindung und Öffnung des Internets zu Beginn der 90er Jahre machte es schließlich möglich, dass sich dieses zunächst rein ortsgebundene Teilen von Rechnerkapazitäten auf eine globale Ebene verschieben konnte. Die stetig steigende Rechenleistung sowie der anhaltende Ausbau der Bandbreite bei den Datenverbindungen machen es so heutzutage möglich, in Echtzeit und über Kontinente hinweg miteinander zu kommunizieren, zu teilen und zu arbeiten.

 

Cloud Computing ist ein Modell, das es erlaubt, bei Bedarf jederzeit und überall bequem über ein Netz auf einen geteilten Pool von konfigurierbaren Rechnerressourcen (z. B. Netze, Server, Speichersysteme, Anwendungen und Dienste) zuzugreifen, die schnell und mit minimalem Managementaufwand oder geringer Serviceprovider-Interaktion zur Verfügung gestellt werden können. NIST Cloud Computing Definition

Nichtsdestotrotz erblickte diese am weitläufigsten verwendete Definition des Cloud Computing der US-amerikanischen Standardisierungsstelle National Institute of Standards and Technology (NIST) erst 2009 das Leben – drei Jahre nachdem die Amazon Web Services (AWS) gestartet wurden, mit welchen der Internetgigant Nutzern und Fremdfirmen den Zugriff auf diverse Onlinedienste sowie auf die hauseigenen Rechner- und Speicherkapazitäten ermöglichte. Zusammen mit den ebenfalls 2006 an den Start gegangenen Google-Docs-Dienste wurde die Cloud so als Verbindungsstück zwischen Endnutzer und Anbieter zum neuen Zukunftsmodell im IT-Sektor auserkoren.

Richtig in das Bewusstsein der Nutzer drang der neuartige Begriff aber erst im Jahre 2011, als Apple mit seiner iCloud eine Revolution ausrief. Plötzlich konnten alle Apple-Produkte eines Nutzers miteinander kommunizieren, sich automatisch synchronisieren und drahtlos aktualisieren. Alle Inhalte, von Anwendungen über Bilder und Dokumente bis hin zu Kontakten oder Musik, wurden nun in der Cloud gespeichert und erlaubten einen direkten geräteübergreifenden Zugriff – ohne dass der Nutzer aktiv werden musste.


Unternehmerische Ressentiments – Für und Wider der Cloud

Die Akzeptanz für die Cloud bei Privatanwendern schwappte aber nicht sofort auf die Unternehmen über. Mit dem Hauptargument einer fragwürdigen Datensicherheit weigerten sich viele Unternehmen, mit ihren Daten in die Cloud zu gehen. Vor allem Großunternehmen verfügen so auch heute noch über eigene Server, die von internen Abteilungen verwaltet werden. Die Datensicherung kann hierbei selbst organisiert werden, während die Cloud als gespiegeltes Konstrukt die Daten auf verschiedene Rechner auslagert.

 

Die Vorteile des Cloud Computing liegen dabei auf der Hand und gelten mittlerweile auch weitläufig als akzeptiert:

 

Kosteneinsparungspotenzial: Da der Cloud-Anbieter die erforderlichen IT-Ressourcen bereitstellt, entfallen Betriebs- und Wartungskosten. Hardware-Investitionen, die einen kostenintensiven Teil einer Inhouse-Lösung ausmachen, fallen nahezu vollkommen weg, da lediglich ein Webbrowser sowie ein Internetzugang zur Nutzung der Services benötigt wird. Die der Cloud inhärente Skalierbarkeit sorgt zusätzlich dafür, dass Kosten und Nutzen auch dem tatsächlichen Bedarf entsprechen.

 

Skalierbarkeit: IT-Leistungen sind zeitnah und kostengünstig nach oben und unten skalierbar. Je nach Bedarf können so Ressourcen in der Cloud hinzugefügt oder abgewählt werden. Datenspeicherkapazität, Rechenleistung und Networking können daher ohne große Ausfallzeiten angepasst werden, während physische On-Premise-Lösungen oft Wochen oder Monate verschlingen. Neu auftretenden Geschäftsanforderungen kann hierdurch mit Flexibilität und Geschwindigkeit entgegengetreten werden.

 

Immer up to date: Cloudbasierte Services aktualisieren sich automatisch, wodurch der Arbeitstag nicht durch oftmals langwierige Software-Updates behindert wird. Zudem ermöglichen Cloud-Anbieter in der Regel immer Zugriff auf die aktuellste Software. Unternehmen erhalten so Zugang zu den innovativsten Funktionen, die gerade in dynamischen Märkten den Wettbewerbsunterschied machen können.

Sicherheit: Hier mag sich der ein oder andere vielleicht verwundert die Augen reiben, aber ja, die Gewährleistung der Sicherheit ist eines der Hauptaugenmerke der Cloud-Anbieter und dementsprechend wird darin auch sehr viel investiert – viel mehr als es sich die meisten kleinen oder mittelständischen Unternehmen (KMUs) in Deutschland leisten könnten. Gerade aufgrund der anhaltenden Ressentiments haben sich Cloud-Anbieter zu professionellen Security Managern entwickelt, die den zusätzlichen Vorteil haben, dass alle Nutzer bei der Erkennung möglicher Softwareprobleme partizipieren und dementsprechend auch alle automatisch von Problemlösungen profitieren.

 

 

Die Sicherheit der Daten an sich und das abhängig machen von den Cloud-Anbietern sind aber weiterhin valide Kritikpunkte, die der Cloud als Nachteile ausgelegt werden:

 

Datensicherheit: Daten- und Sicherheitslecks treten immer wieder auf und werfen lange Schatten auf die jeweiligen Anbieter. Das größte Problem hierbei ist, dass beim Cloud Computing oft alle Daten in der Cloud gespeichert sind, wodurch eine unautorisierte Person großen Schaden anrichten kann. Zudem kann es auch vorkommen, dass Unternehmen aufgrund eines einfachen Abbuchungsfehlers zeitweise der Zugriff auf die eigenen Daten verweigert wird oder dass z. B. durch einen Brand im Datenzentrum tatsächlich die Daten verloren gehen.

 

Hohe Standardisierung: Viele Cloud-Anbieter bieten in hohem Maße standardisierte Softwarelösungen an. Dies erlaubt zwar kostengünstige Services anzubieten, jedoch gibt es natürlich auch eine Reihe von Unternehmen, die viel individuellere Lösungen benötigen. Vor allem, wenn eine lokale Software reibungslos mit einer cloudbasierten Software zusammenarbeiten soll, reichen manchmal die angebotenen standardisierten Versionen nicht aus, um den Ansprüchen des Unternehmens zu genügen.

 

Abhängigkeit: Auch wenn Cloud-Anbieter oft Standardlösungen bieten, so versuchen sie die Kunden natürlich an sich zu binden, indem sie proprietäre Software verwenden. Die Rechte der Wieder- und Weiterverwendung von Nutzern und Dritten werden hierdurch eingeschränkt und auch gewünschte eigene Anpassungen werden somit fast unmöglich. Zusätzlich kann dies den Anbieterwechsel erschweren.

 

Schlechte Portabilität: Steht eine Neuausrichtung des Unternehmens an oder kann der Cloud-Anbieter plötzlich nicht mehr die Anforderungen des Unternehmens decken, da z. B. eine Leistung eingestellt wurde, so stellt sich die Frage der Portabilität. Um kein Abhängigkeitsverhältnis mit einem Anbieter einzugehen, welches nur noch schwerlich durchbrochen werden kann, sollte deshalb von vornherein definiert werden, wie eine Datenrückverlagerung ins Unternehmen aussehen könnte und inwiefern ein Anbieterwechsel im Bereich des Möglichen ist.


Eine Wahrheit und viele offene Fragen

Durch die Skalierbarkeit und einfache Nutzung, die gerade KMUs entgegen kommt, steht außer Frage, dass der Cloud die Zukunft gehört. In einem globalen Zeitalter, in dem händeringend nach Fachkräften gesucht wird und flexibles Arbeiten das Gebot der Stunde ist, ist der weltweite Echtzeitzugriff auf Daten unabdingbar, um Teams eine unternehmens- und länderübergreifende Zusammenarbeit zu ermöglichen. Daher wird immer mehr in die Cloud ausgelagert werden, um mit den neuesten Technologien Schritt zu halten und Ressourcen in Innovationen sowie Expertise zu stecken.

Trotzdem gibt es noch viele offene Fragen rund um das Thema Cloud Computing und Herausforderungen, die gemeinsam angegangen werden müssen. So ist das Rechtsgebiet, wenn es z. B. um Datensicherheit, Privatsphäre und Datenschutz geht, immer noch recht schwammig. Aufklärung muss hierbei das Zauberwort sein, welchem sich Unternehmen und Anbieter genauso wie Experten und Privatpersonen gleichermaßen annehmen müssen, da allgegenwärtige Regeln nicht nur in der virtuellen, sondern auch in der realen Welt nur schwerlich grenzüberschreitend umzusetzen sind. Zudem muss den wachsenden Datenströmen im Sinne der Nachhaltigkeit mit Verstand und der nötigen Weitsicht begegnet werden. Cloud Computing wird sich genauso wenig wie die Digitalisierung an sich nicht mehr aufhalten lassen. Es liegt also an den aktuellen Generationen, nach welchen Leitprinzipien die Cloud gestaltet und wie der verantwortungsvolle Umgang mit ihr am besten erlernt werden kann.

 

 

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Quellen:

 

https://www.scopevisio.com/blog/cloud-computing/10-vorteile-im-cloud-computing/

 

https://blog.wiwo.de/look-at-it/2015/10/19/vom-grosrechner-1950-uber-amazon-bis-icloud-die-geschichte-des-cloud-computing/

 

https://teamdrive.com/blog-de/die-geschichte-der-cloud-wie-alles-begann

 

https://www.dreher-consulting.com/blog/cloud-computing/

 

https://www.spiegel.de/netzwelt/web/ovh-grossbrand-in-datenzentrum-in-strassburg-sorgt-fuer-stoerungen-a-dff1fc32-8bd0-4305-a026-b6221e079455

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