Frauen im Design – Wegbereiter der Vergangenheit und Chancen der Zukunft

Veröffentlicht am 02. December 2022

Sarah Mager

Frauen haben weit über das letzte Jahrhundert hinaus mit ihren Werken und Ideen maßgeblich zur Entwicklung des Designs, wie wir es heute kennen, beigetragen. Viele davon wurden jedoch erst spät und nicht selten nach ihrem Tode für ihre Leistungen gewürdigt, da das Bild der Frau zu den Anfängen des modernen Designs gelinde gesagt ein reduziertes war, welches erst durch gesellschaftliche Strukturwandel und dank verschiedenster Frauenrechtsbewegungen an Klarheit gewann.

Grund genug einen Blick auf die Pionierinnen unter den Designerinnen zu werfen, die in ihrer Zeit nur selten in den Vordergrund gerückt wurden, und die Frage zu stellen, wie es um Frauen im Design heutzutage steht? Sind Frauen im 21. Jahrhundert in der Designbranche angekommen? Und warum sollten Frauen gerade beim vielfältigen Thema Design eine wichtige Rolle spielen?

 

Das Sichtbarmachen früher Vorbilder – Ein Blick zurück

Die Geschichte des modernen Designs lässt sich bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen und ist eng mit der industriellen Revolution verbunden, in der die Produktion von Massengütern und das damit einhergehende Aufbrechen produktionstechnischer Arbeitsschritte nach neuen Spezialisten verlangte, die sich primär mit dem Entwerfen funktionaler Produkte beschäftigten und fortan als Gestalter ein neues Berufsbild prägten. Jedoch fehlte trotz dieser Umwälzung der Arbeitswelt und neu aufkommender Arbeitsmöglichkeiten von Designerinnen zunächst jegliche Spur.

Dass diese Spuren weiblicher Koryphäen der Jungzeit des Designs auch im Laufe des 20. Jahrhunderts nur spärlich zu entdecken und oftmals verwischt sind, deckt die Ausstellung „Here We Are! Frauen im Design 1900 - heute“ des Vitra-Design-Museums auf, welche aktuell in erweiterter Form im Gewerbemuseum in Winterthur zu betrachten ist. Während der Sichtung und Recherche von rund 20.000 Exponaten konnten viele Fälle inkludiert werden, bei denen das Objekt oder der Entwurf bislang einem Mann zugeschrieben oder als anonym gekennzeichnet wurde, wahrhaftig aber einer Frau zu verdanken ist.

Neben Werken von bekannten Designerinnen der Frühzeit wie Friedensnobelpreisträgerin Jane Addams, die 1889 das Hull House in Chicago gründete und als Wegbereiterin des Social Designs gilt, sowie von Pionierin Louise Brigham, welche die Verwendung von recycelten Materialien im Möbeldesign bereits 1909 in ihrem Buch „Box Furniture“ herausarbeitete, finden sich so nicht nur weitere das gesamte vergangene Jahrhundert umspannende Werke, sondern auch mehrere Exemplare, die erst seit kurzem Frauen zugerechnet werden.

Dazu zählen u. a. der sogenannte „Steiger-Stuhl“ aus dem Jahr 1931, welcher von Rudolf Steiger patentiert, aber von seiner ebenfalls als Architektin arbeitenden Ehefrau Flora Steiger-Crawford designt wurde; die berühmte „Eye Clock“, welche nicht in George Nelson seinen Urheber fand, sondern in seiner Mitarbeiterin Lucia De Respinis seine Urheberin; oder das mit dem seit den 50ern beliebten schwarz-weißen „Homemaker“-Dekor versehene Geschirr, welches nicht von anonym, sondern von Enid Seeney gestaltet wurde.

Eines der berühmtesten Beispiele betrifft hierbei auch einen der bekanntesten und einflussreichsten Designer des 20. Jahrhunderts Charles Eames, dessen Werke in enger Zusammenarbeit mit seiner Frau Ray Eames entstanden, wofür sie aber erst spät Würdigung erfuhr. Der an der Charles-Eames-Straße liegende Vitra Campus eröffnete daher zu ihrem 100. Ehrentag die Ray-Eames-Straße, die sich nun mit der Straße ihres Mannes kreuzt.

Und auch die ersten Frauen am Bauhaus wurden kaum wertgeschätzt, oftmals übergangen und geradezu aus ihrem Studium gedrängt. Trotz scheinbar progressiver, emanzipatorischer Haltungen beschränkte Bauhaus-Gründer Walter Gropius so z. B. nach nur einem Semester den erlaubten Frauenanteil auf ein Drittel, um mehr Platz für die in seinem Sinne Befähigtsten zu machen – nämlich Männer. Ein Diskurs über diese Schattenseiten der frühen Lehre, in der alten Mustern in neuem Gewand gefrönt wurde, ist deshalb genauso wichtig und Teil der Aufklärung wie das Sichtbarmachen lange ungewürdigter Gestalterinnen.

 

Der Weg in die Gegenwart – Wie viel Frau steckt in Design

Zu den früh geschätzten Designerinnen wie z. B. der kubanischen Möbeldesignerin Clara Porset, Iittala Gründerin Aino Marsio-Aalto oder der als erste Frau in den deutschen Werkbund gewählten Innenarchitektin Lily Reich, die in den 30ern auch in leitender Position am Bauhaus Dessau und Bauhaus Berlin tätig war, gesellen sich demnach immer mehr Frauen, die als Vorbild die heutige Generation von Designinteressierten und -studierenden inspirieren können.

Diese weiblichen Vorbilder sind auch dringend notwendig, denn selbst im neuen Jahrtausend ist Design weiterhin eine von Männern dominierte Branche. Der britische Design Council wies 2018 darauf hin, dass knapp 80% der Jobs in der Designbranche von Männern besetzt sind, obwohl die Mehrzahl der Design-Studienabschlüsse seit Jahren ein gegensätzliches Bild zeigen. In Deutschland fallen diese Zahlen nicht sonderlich anders aus.

Positiv gestaltet es sich jedoch, wenn man Berufsfelder betrachtet, die mehrere Sektoren bündeln, wie z. B. User Interface oder User Experience Design. Hier wird neben technischen Kenntnissen u. a. auch ein großer Fokus auf Psychologie, Soziologie, kognitive Wahrnehmung und Semiotik gesetzt. Zudem sorgen neue Studiengänge (z. B. Interaktionsgestaltung) und der alltägliche Umgang mit digitalen Medien dafür, dass der Eintritt in Tech-Berufe geschlechterübergreifend erleichtert wird.

Doch auch wenn der Anteil an Frauen in der Designbranche stetig wächst und in manch jüngeren Disziplinen den der Männer übersteigt, so lässt die Zahl der Frauen in Führungspositionen mit nicht mal 20 % immer noch zu wünschen übrig. Leader wie Jamie Myrold, vormals Vizepräsidentin von Adobe Design und nun bei Apple, oder Laura Granka, Senior Director und Leiterin der Forschungsabteilung bei Google, stellen daher auch heute in einer doch so vorwärtsgewandten Tech-Branche Ausnahmen einer ungeschriebenen Regel dar.

 

Für und von Frauen – Warum Diversität gerade im Design eine wichtige Rolle zusteht

Design ist als kollaborativer Prozess zu begreifen, bei dem Diversität es erleichtert, neue Perspektiven und Möglichkeiten aufzudecken. Wenn man etwas erschaffen will, das viele Menschen auf diesem Planeten anspricht, muss schließlich auch ein Verständnis für jedwede Zielgruppe erreicht werden. So verspricht laut einem Bericht von McKinsey ein diverses Designteam, welches über verschiedene Backgrounds und Erfahrungen verfügt, eine höhere Wahrscheinlichkeit, effizienter und erfolgreicher zu arbeiten.

Es ist daher positiv zu beobachten, dass mangelnde Repräsentation oder Heteronormativität adressiert und alte Muster langsam aufgebrochen werden, um einen Wandel herbeizuführen, der in vielen Sektoren bereits begonnen hat. Gerade Design spielt in allen Lebenslagen eine Rolle und betrifft somit jeden einzelnen von uns. Das Miteinbeziehen von Frauen als Designerinnen ist daher nicht eine Frage des besser oder schlechter; Mann versus Frau. Innovative Lösungen hängen schließlich besonders bei komplexen Problemstellungen auch immer davon ab, auf welche Erfahrungen und Ressourcen das Team zurückgreifen kann. Gleichberechtigung im Design bedeutet deshalb Blickwinkel zu erweitern, Unterschiede anzuerkennen und sie zum Wohle aller in die Gestaltung einfließen zu lassen.

Unternehmen, die Produkte und Services wahrhaftig für jeden gestalten wollen, müssen sich daher fragen, ob sich diese angestrebte Diversität auch im eigenen Unternehmen, der Teamkultur und den besetzten Rollen auf allen Leveln widerspiegelt. Dass zukunftsweisende Designbereiche, die ihren Fokus auf nutzerzentriertes Design legen, bereits ein gemischtes Geschlechterverhältnis aufweisen, ist dabei hoffentlich ein Zeichen, um als gutes Beispiel auch in andere Bereiche überzuschwappen. Dafür braucht es aber neben einer inklusiven Kultur auch neue Studienangeboten, Mentoring-Programme und weibliche Vorbilder – von denen es wahrscheinlich sogar mehr gibt, als uns heute bewusst ist.

 

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Quellen:

https://www.design-museum.de/de/ausstellungen/detailseiten/here-we-are-frauen-im-design-1900-heute.html

https://simskultur.eu/gewerbemuseum-winterthur-the-bigger-picture-design-frauen-gesellschaft/

https://www.zeit.de/zett/2019-01/100-jahre-bauhaus-und-wo-sind-die-frauen?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F

https://www.hmp-innovation.de/files/expertise/Designgeschichte_WirtschaftlicheEntwicklung.pdf

https://www.welt.de/iconist/design/article234359666/Frauen-im-Design-und-ihr-Schaffen-oft-uebersehen-oder-falsch-etikettiert.html

https://www.springboard.com/blog/design/women-in-ux-design/

https://www.designcouncil.org.uk/fileadmin/uploads/dc/Documents/DC_DE_Eco_Value_Exec_Sum_digital_Final.pdf

http://www.eyeondesign.aiga.org/women-make-up-more-than-half-of-the-design-industry-but-how-do-they-get-to-the-top/

 

 

Eigene verlinkte Artikel:

Zielgruppen:

https://www.forwerts.com/articles/?artikel=von-zielgruppen-und-personas-wege-zum-besseren-nutzerverstandnis

 

Teamkultur:

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