Informationsarchitektur – Mehrwert auch für Designer

Veröffentlicht am 08. June 2020

Stefanie Schwanke

Wahrscheinlich ist bereits jeder von uns schon mal auf einer Webseite beim Versuch eine Information zu finden gescheitert. Sei es auf Grund mangelnder oder falscher Bezeichnungen, schlichter Unübersichtlichkeit oder eines durchzuführenden Klick-Marathons, für den wir gerade weder Zeit noch Nerven haben.

Eine gute User Experience muss immer dafür sorgen, dass die Nutzer einfach an die gesuchten Informationen gelangen und somit effizient und intuitiv ihre Aufgaben erledigen können. Deshalb bildet die Informationsarchitektur (IA) vor allem in komplexeren Projekten die Grundlage für jegliches UX-Design – Denn nur auf Basis einer durchdachten Architektur, in der Inhalte bzw. Informationen logisch sowie zielführend organisiert und strukturiert werden, ist die Gestaltung einer gebrauchstauglichen Anwendung möglich.

Ein virtueller Raum des Verstehens

Während das Wort ‚Architektur’ bereits Mitte des vergangenen Jahrhunderts seinen Platz in der Informatik fand und schlicht den Aufbau, also die zugrunde liegende Daten- und Netzwerkarchitektur, der ersten Supercomputer bezeichnete, begegnet uns die Begriffszusammensetzung ‚Informationsarchitektur’ erst im Laufe der 70er Jahre. Um genau zu sein: 1976, als der amerikanische Architekt und Grafikdesigner Richard Saul Wurman einen Vortrag zum Thema „The Architecture of Information“ hielt.

Wurman war von dem vorherrschenden Wort ‚Informationsdesgn’ irritiert, da er der Auffassung war, dass es durch die Fokusierung auf den Design-Begriff nur noch darum ging „etwas gut aussehen zu lassen“ anstatt das Hauptaugenmerk auf die Systematik, auf die Funktionalität zu legen. Bei der IA geht es nach Wurmans Definition also in erster Linie darum, die Elemente eines Systems so anzuordnen, dass sie verständlich sind.

„Information ist nur das, was verstanden wird.“ – Carl Friedrich von Weizsäcker

In das Bewusstsein der Öffentlichkeit drang der Begriff dann 1998, als er von Lou Rosenfeld und Peter Morville in ihrem Buch „Information Architecture for the World Wide Web“ neu aufgegriffen wurde. Sie rückten den Nutzer in den Vordergrund und verdeutlichten, dass die Organisation und Strukturierung von Inhalten dem Ziel unterliegt, Inhalte für die Nutzer schnell und intuitiv erreichbar zu machen. IA bildet demnach einen virtuellen Raum, in dem sich die Nutzer (auf verschiedenen Wegen) bewegen können und dessen Wege für die Nutzer eine kognitive Landkarte darstellen.

Das Fundament guter User Experience

Jedes nutzerorientierte digitale Projekt beginnt mit dem Erforschen und Definieren der Nutzergruppe(n) sowie deren Anforderungen (Research). Alle Inhalte und Informationen, welche man in dieser Phase sammelt, müssen aufbereitet, verstanden und analysiert werden (Verstehen & Analyse). Erst wenn die Recherche und Analyse abgeschlossen ist, können die inhaltlichen Ziele definiert und die darauf aufbauende Informationsarchitektur gestaltet werden.

Die IA setzt somit am Ursprung eines digitalen Projektes ein und bildet die Grundlage und den Rahmen für UX, Interaktionsdesgin und jeden weiteren Gestaltungsprozess. Hier befindet man sich am Start der Entwicklung, in der strukturelle Fragen beantwortet werden müssen und noch nichts vom Endprodukt zu sehen ist. Diese Unsichtbarkeit bleibt der Informationsarchitektur später auch im Nutzungskontext erhalten, da sie eine Form des Designs ist, die dem Nutzer verborgen bleibt und nur indirekt sichtbare Spuren hinterlässt – Sei es in Bestandteilen der Navigation oder Suchfunktionen.

Eine gute Informationsarchitektur muss den Nutzern folgende Fragen klar beantworten:

  • Wo befinde ich mich?
  • Wohin kann ich noch gelangen und vor allem wie?
  • Wenn ich mein Ziel kenne, wie gelange ich dann dort schnellstmöglich hin?
  • Welcher Nutzen bietet sich mir?
  • Welche Organisation steckt dahinter und wie kann ich zu ihr Kontakt aufnehmen?

 

Grundsätzlich ist dabei zu beachten:

Je höher die Informationsdichte, desto komplexer wird das ganze Konstrukt und desto durchdachter muss demnach auch die Informationsarchitektur sein.

Klares Kategorisieren und flache Hierarchien

Damit die spätere Navigation auch strukturiert entwickelt werden kann, müssen zunächst die Inhalte kategorisiert werden. Hier kann man mit gängigen Methoden zunächst jeder Kategorie eine Oberkategorie zuordnen (Taxonomie) oder auch direkt Inhaltsverbindungen zwischen den Themen und somit deren Abhängigkeiten voneinander definieren (Ontologie). Mit Hilfe von Baumstrukturen (Organigrammen) können die kategorisierten Inhalte dann visuell und assoziativ abgebildet werden, indem die Inhalte von einer groben Klassifizierung immer weiter verästelt und somit spezifischer werden.

Die inhaltlichen Kategorien sollten sich dabei klar thematisch unterscheiden und die Verästelungen sollten ebenso einer klaren Aufreihung folgen. Für die Nutzer müssen die Zusammenhänge schließlich eindeutig erkennbar sein und der Weg zu ihrem Ziel darf nicht unnötig durch hunderte Subkategorien in die Länge gezogen werden. Deswegen ist es von Vorteil die Informationshierarchie zunächst so flach wie möglich zu halten – Denn je weniger Aktionen der Nutzer braucht, um an sein Ziel zu kommen, desto eher fühlt er sich in der Interaktion bestärkt.

Zusätzlich können durch Wireframes Teilordnungen detaillierter betrachtet und getestet werden. Hier werden verschiedene Gruppierungen visualisiert, um zu überprüfen, ob die Anordnung der einzelnen Teile auch logische Rückschlüsse auf die Gesamtstruktur zulässt. Dies ist wichtig, da die Informationsarchitektur eine noch recht junge Disziplin darstellt und es somit an Standardisierungen mangelt. Daher muss diese ständig gechallenged werden, damit die Funktionalität der Struktur und Nutzerführung frühzeitig verifiziert oder angepasst werden kann.

Ein Teil des großen Ganzen

Wir bei forwerts sind davon überzeugt, dass es nicht förderlich ist, die Tasks der Architektur, Konzeption und Gestaltung in separate Berufsbilder wie bspw. UX-Konzeptioner und UI-Designer zu zwängen, da die einzelnen Mitwirkenden auch immer das ‚große Ganze’ verstehen und nachvollziehen können müssen. Es geht uns daher vielmehr um die Verschmelzung aller involvierten Bereiche und nicht um das Abkapseln voneinander.

Deswegen muss die Informationsarchitektur als Teil der UX Konzeption nach unserer Auffassung eng mit dem User Interface Design samt all seinen Disziplinen verwoben sein, um das bestmögliche Ergebnis bei der Gestaltung digitaler Services und Produkte zu erzielen.

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