Mit Behavioural Design zum glücklichen User

Veröffentlicht am 09. March 2020

Stefanie Schwanke

Behavioural Design ist spätestens seit der Entwicklung digitaler Produkte und Services wesentlicher Bestandteil von User Experience Design. Das Streben jedoch die Interaktion zwischen Computer und Mensch zu organisieren und zu optimieren besteht seit Jahrzenten: Ursprünglich wurde zu Beginn des Industriezeitalters die Interaktion zwischen Mensch und Maschine verbessert. Mit Aufkommen der ersten Personal Computer bildete sich dann die Disziplin der Human Computer Interaction (HCI) heraus. Im Kern beschäftigt sich HCI mit dem Gestalten, Evaluieren und Implementieren interaktiver Computersysteme für den menschlichen Gebrauch und betrachtet zudem den Kontext des Gebrauchs. Mit Aufkommen neuer Technologien und Devices hat jedoch auch HCI sein Spektrum erweitert.

Als Bestandteil von UX basiert Behavioural Design auf HCI, das wiederum als Vorreiter für User Experience Design gesehen wird. Im Unterschied zu HCI als rein wissenschaftliche Disziplin, ist User Experience Design, und somit auch Behavioural Design, von der tatsächlichen Umsetzung von digitalen Produkten und Services getrieben und inkludiert soziale und emotionale Aspekte der Nutzung einer Anwendung. Der Vorteil liegt darin, dass sich Behavioural Design der bereits aus Lehre und Wissenschaft bekannten Prinzipien von HCI bedienen kann, diese zum Teil für sich aber weiter verarbeiten muss – spielt die Nutzerzentrierung und Wirtschaftlichkeit im weitesten Sinne (nicht nur monetär, sondern bspw. auch Zeitgewinn) als Zeichen für die Akzeptanz und Gebrauchstauglichkeit einer Anwendung bei den Nutzern doch eine wesentliche Rolle.

„When you analyze happiness, it turns out that the way you spend your time is extremely important.” – Daniel Kahneman

Doch wie nun lassen sich Anwendungen so gestalten, dass die Interaktionen mit ihnen einfach von der Hand gehen, uns motivieren und uns in unserem Verhalten bestärken? Wie können Barrieren der Nutzung abgebaut werden?

 

Psychologie, Design oder Technologie – was denn nun?

Diese drei Bereiche müssen genauer betrachtet und in einen gemeinsamen Kontext gezogen werden, möchte man die Antwort auf die zuvor gestellten Fragen geben. Wichtig ist, Erkenntnisse aus Psychologie, Technologie und Design inklusive Wahrnehmungslehre gleichermaßen in die Arbeit miteinfließen zu lassen. Denn nur mit dem Verständnis für den Nutzer respektive die Nutzergruppe und deren Wahrnehmung, lässt sich mit Hilfe von Design Heuristiken und UI-Patterns inklusive neuester Technologien das beste Nutzerlebnis schaffen.

Grundsätzlich liegt der erste Schritt darin, das menschliche Bewusstsein zu erfassen. Dabei hilft die Unterteilung menschlichen Verhaltens in drei Hauptkategorien:

  1. Unbewusste, physiologische Reaktion des Organismus
  2. Gelernte, routinierte, aber nicht bewusst oder nur unterbewusst gesteuerte Verhaltensweisen
  3. Bewusstes, gesteuertes Handeln

Fakt ist, dass die meisten unserer Handlungen vollkommen unbewusst geschehen. Der mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Psychologe Daniel Kahneman und sein Kollege Amos Tversky beziffern diese automatisierten und unbewussten Handlungen sogar mit 98%.

Als Konsequenz sollten diese automatisierten, unbewussten Handlungen bedient werden und für den Nutzer erwartungskonforme Interaktionen mit der Anwendung kreiert werden. Oder auch eben bewusst gebrochen werden, dort wo es sinnvoll ist einen bestimmten kognitiven Prozess beim Nutzer auszulösen.

Grundsätzlich geht es bei der Entwicklung eines Produktes oder Services darum, die Barrieren für den Anwender so gering wie möglich zu halten, und ausschließlich dort Hürden zu erschaffen, wo sie explizit gewünscht und sinnvoll sind, um bspw. die Aufmerksamkeit der Nutzer zu erregen und Interaktionen bewusst und wie gewünscht umzusetzen.

In der Lehre sind mit Wahrnehmungstheorien, Gestaltgesetzen und -heuristiken und Design-Regeln aus der Softwareentwicklung bspw. die Basis für die Umsetzung solcher Anforderungen gelegt und bilden die Grundlage für jeden UI- und UX-Designer.

Bei der Entwicklung von Technologien hingegen werden die Entwicklungszyklen immer kürzer und so müssen die Erkenntnisse aus Psychologie, Wahrnehmungstheorie und Design hier stets angepasst werden.

Große Unternehmen wie Google bspw. mit Material Design oder Apples Human Interface Guidelines haben hier bereits einen wesentlichen Teil dazu beigetragen, die gesellschaftliche Wahrnehmung von „gebrauchstauglichem“ User Experience Design zu erhöhen und konforme Erwartungen der Nutzer geschärft. Und doch muss alles Wissen im technologischen Kontext betrachtet und genutzt werden – so gelten für native Entwicklungen andere Anforderungen und Standards als im Web und wiederum für die Sprachsteuerung.

Ganz gleich mit welcher Technologie und auf welcher Plattform: Eine gute User Experience kann die Nutzer nur glücklich machen, wenn die Anwendung als wertvoll und nützlich empfunden wird. Im Behavioural Design existieren – wie zuvor bereits angesprochen – einige Prinzipien, welche die Usability (Gebrauchstauglichkeit) einer Anwendung stärken. Der Fokus liegt dabei auf einem natürlichen Zurechtfinden und Interagieren.

Generell lässt sich gutes Behavioural Design folgendermaßen für alle devices und alle Technologiengrob wie folgt zusammenfassen:

  • Gutes Behavioral Design lenkt die Aufmerksamkeit der User dorthin, wo sie auch wirklich notwendig ist und somit den Usern bei der schnellen Zielerreichung hilft.
  • Gutes Behavioral Design vermeidet Zweifel und Stress bei den Usern und gibt ihnen ein positives Gefühl, indem verständliche Pattern angewendet werden.
  • Gutes Behavioral Design weckt die Neugier und steigert das Interesse der User an den Stellen, an denen sie Zeit oder Gehirnschmalz investieren müssen.
  • Gutes Behavioral Design ändert die Gewohnheiten und motiviert die User, indem sie auf produktivere Wege geleitet werden und für ihre Handlungen belohnt werden.

Um diese Maxime zu erreichen empfiehlt es sich, die Nutzer frühzeitig in den Entwicklungsprozess mit einzubeziehen. Nutzertests und Resonanzgruppenfeedbacks mit verschiedenen Nutzern und unterschiedlichen Barriere-Typen unterstützen die kontinuierliche Optimierung und helfen Barrieren bewusst zu minimieren und das Gleichgewicht zwischen Design und Barrierefreiheit zu halten. Erst mit dem Verständnis für die Nutzer und ihr Verhalten, kann man Mehrwert schaffende Anwendungen mit einer guten User Experience entwickeln.

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