Mit Personas den Nutzern ein Gesicht geben

Veröffentlicht am 20. February 2018

Matthias Herkle

Personas sind ein wichtiges Element, wenn es um einen ganzheitlichen Ansatz zur nutzerzentrierten Gestaltung interaktiver Systeme geht. Denn nur wenn die Bedürfnisse der Benutzer und der Nutzungskontext bekannt sind und bei der Entwicklung berücksichtigt werden, können Anwendungen und Interaktionen funktional und somit erfolgreich gestaltet werden.

 

Vom Rollenspiel zum archetypischen Nutzer

Das griechische Wort Persona, welches ursprünglich die Maske von Schauspielern bezeichnete, wurde erstmals 1999 in Alan Coopers Buch The Inmates Are Running the Asylum als Oberbegriff für einen fiktionalen Urtyp eines Nutzers eingeführt. Die Grundidee dazu kam ihm bereits 1983, als er ein Projektmanagement-Programm entwickeln sollte.

Dabei nutzte er die sogenannte play-acting Technik: Er spielte während seiner Spaziergänge auf dem Golfkurs einfach Konversationen mit einem fiktiven Projektmanager durch, welcher lose auf den Eigenschaften und dem Aufgabenbereich einer Kollegin beruhte, die schlussendlich das Programm nutzen sollte. Dies half ihm bei der besseren Unterscheidung zwischen notwendigen und unnötigen Funktionen.

"The best way to succesfully accommodate a variety of users is to design for specific types of individuals with specific needs." – Alan Cooper

Über die Jahre verfeinerte er die Idee und brachte seine Erfahrungen mit dieser Methode in seinem Buch auf folgende Kernpunkte:

  1. Das Produkt passt sich immer dem Nutzer an und nicht umgekehrt. ‚Elastic Users’ existieren nicht.
  2. Während der Entwicklung darf nie von ‚den Nutzern’ gesprochen werden. Es gibt keine Verallgemeinerung.
  3. Die Berücksichtigung von zu vielen Nutzern führt zu einem mittelmäßigen Endergebnis. Wenn man es allen recht machen will, erzeugt man Durchschnitt.
  4. Konzentration auf wenige repräsentative Nutzer (= Personas) ist einfacher bzw. zielgerichteter und bildet im Endergebnis eine Lösung ab, die viele Nutzer zufrieden stellt.

 

Das Erstellen einer Persona

Heutzutage sind die fiktiven Personen im Design-Prozess nicht mehr wegzudenken, da sie von Beginn an wichtige Informationen über die Bedürfnisse und Anforderungen einer Zielgruppe liefern und dem Entwicklerteam ermöglichen, sich in die Lage der zukünftigen Nutzer hineinzuversetzen. Um die Personas zu entwickeln, müssen zunächst einmal Daten erhoben werden, die einer klaren Zielstellung unterliegen. Dabei können die Daten natürlich sowohl aus internen (eigene Umfragen, CRM etc.) als auch externen Quellen (Marktdaten, Zielgruppenanalysen etc.) stammen. Je reichhaltiger und verschiedener die Quellen, desto gehaltvoller und detaillierter die Persona.

Danach müssen die Daten aufbereitet und organisiert werden. Cluster oder Matrizen helfen dabei, die Personas in Gruppen mit bestimmten Merkmalen aufzuteilen, die dann kategorisiert werden können. Schlussendlich werden alle gesammelten Informationen in Textfrom gebracht und definieren die Persona – vom Namen über den Job bis hin zu Hobbies und Freundeskreis. Wichtig dabei ist, dass die spezifischen Personas so in das Projekt eingeführt und gepflegt werden, dass alle Beteiligten den Blickwinkel einer einzelnen Persona verinnerlichen und stets bei der Lösungsfindung berücksichtigen.

 

Anwendungsmöglichkeiten von Personas

Personas sind in vielen Bereichen des Entwicklungs- und Design-Prozesses von Produkten erwiesenermaßen von großer Hilfe. Im Folgenden sollen exemplarisch Anwendungsmöglichkeiten aufgezeigt werden.

  • Priorisierung von Funktionen: Um herauszufinden, welche Funktionen und Services notwendig und gewünscht sind, kann man eine Prioritätsmatrix erstellen. Hier wird zunächst jeder Persona ein Gewicht zugeschrieben. So steht z.B. Persona A, nennen wir sie Alfons, für die Häfte unserer Kunden. Dementsprechend muss Alfons Gewichtung höher ausfallen als bei den restlichen Personas. Nach der Festlegung der Gewichtung wird jede Funktionalität von den einzelnen Personas beurteilt und erhält eine Note. Die Gesamtnote liefert schließlich das Ergebnis; wie wichtig oder eben unwichtig die jeweilige Funktion ist.
  • Entwicklung von Benutzeroberflächen: Im Interaction Design erstellt man für jede Persona und Design-Entscheidung einen Fragenkatalog, in dem vorrangig die Fähigkeiten und Kenntnisse der Personas mit den Funktionen abgeglichen werden. Sprechen die Personas verschiedenen Sprachen oder verfügen sie über unterschiedliches Know-How? Die Antworten darauf nutzen der Bedürfnisanalyse und beeinflussen weitere Lösungswege.
  • Kommunikation im Projektteam: Personas bieten allen am Projekt beteiligten Fachbereiche eine einheitliche Sprache, wodurch selbst komplexe Probleme konkret ausgedrückt werden können. Wenn die Persona für alle eindeutig identifizierbar ist, macht ein Satz wie ‚Manfred Neuhausen hat eine starke Sehschwäche’ nicht nur Sinn, sondern beschreibt einfach und direkt das Problem.
  • Darstellung von Use Cases: Die Interaktion zwischen Nutzer und System kann mit unterschiedlichen Personas differenziert beleuchtet werden. Eine Persona ist hierbei eine Instanz eines Akteurs und kann bei verschiedenen Szenarien vor allem dann helfen, wenn die Kommunikation mit zukünftigen Anwendern nur eingeschränkt möglich ist. Die Folgerungen daraus beeinflussen die weitere nutzerzentrierte Entwicklung und Zieldefinition
  • Usability Testing: Bevor bei der Detail-Optimierung von Interaktionsprozessen echte Nutzer ins Spiel kommen, können mit Hilfe von Personas bereits im Vorfeld mögliche Schwachstellen analysiert und optimiert werden. Dies erspart nicht nur Zeit, sondern erlaubt es, Designs kontinuierlich zu evaluieren und die Häufigkeit des Usability Testings im Allgemeinen zu reduzieren.
  • Nutzerdokumentation: Auch bei Dokumentationen (z.B. Software-Benutzerdokumentation) können die unterschiedlichen Personas dabei helfen, Texte und Abbildungen richtig abzuschätzen und allgemein verständlich darzustellen.

 

persona non grata

Damit Produkte und Anwendungen nutzerzentriert entwickelt und umgesetzt werden können, bedarf es tiefer Kenntnisse hinsichtlich der Motivation und den Bedürfnissen einer Zielgruppe. Neben einer empathischen Herangehensweise bietet uns die Entwicklung von Personas ein wichtiges Instrument, um für unsere Projekte ein einheitliches Verständnis für die Zielgruppe zu vermitteln, sodass der weitere Entwicklungsprozess nachhaltig und professionell gestaltet werden kann.

Die Persona-Methode ist eines von vielen Puzzlestücken, die uns bei forwerts dabei unterstützen, zielorientiert zu arbeiten und Anwendungen zu entwickeln, welche die Nutzer nicht nur in den Mittelpunkt stellen, sondern schlichtweg begeistern sollen.

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