Projektmanagement — Komplexität lösen durch Creative Direction

Veröffentlicht am 12. July 2021

Dennis Belzner

Nicht zuletzt durch die Digitalisierung und die damit einhergehenden Change-Prozesse werden Projekte sowie deren Anforderungen immer komplexer. Dies ist insofern wenig verwunderlich, da dem Faktor Zeit im digitalen Umfeld eine noch gewichtigere Rolle zukommt und bei einem mehr und mehr undurchsichtigeren Wettbewerb, der mit disruptiven Ideen glänzt, Innovationen ganze Marktgefüge aus den Angeln heben können.

Für viele sind deshalb allen voran Großprojekte zu einem allumspannenden Balanceakt geworden, der sich irgendwo zwischen überschaubarem Risiko und bahnbrechender Innovation, zwischen Altbewährtem und neuen Nutzeranforderungen einpendelt. Die Methodiken, die hierbei zum Einsatz kommen, sind dabei genauso breitgefächert wie die Projekte an sich, was vor allem in den vergangenen Jahren dazu führte, dass sich verschiedenste Ausprägungen des Projektmanagements entwickelt haben.

Doch gibt es den einen richtigen Ansatz, um digitale Projekt erfolgreich zu gestalten, oder verlangt die steigende Komplexität im Kontext unserer Zeit nach einem Methoden- und vielleicht sogar nach einem Rollen-Mix?

Sicherheit geht vor — Klassisches Projektmanagement

Die richtige Planung und Steuerung von Projekten ist natürlich eine Aufgabe, mit der sich Menschen in verschiedenster Weise zeitlebens auseinandergesetzt haben. Spricht man von klassischem Projektmanagement, so findet sich dessen Ursprung in ersten Vorgehensweisen wie z.B. dem Gantt-Diagramm, dessen Geburtsstunde mehr als 100 Jahre zurückliegt. Beim Blick in die Geschichtsbücher sieht man hierbei auch, dass die Gründungsväter der neuen Methodiken Ingenieure waren, die sich mit enormen Projektvorhaben auseinandersetzen mussten, bei denen der Faktor Zeit und eine unverrückbare Zielerreichung im Mittelpunkt standen.

Damals wie heute bedeuteten Unwägbarkeiten vor allem eines: Mehrkosten. Deshalb liegt der Fokus beim klassischen Projektmanagement auf einem stringent abzuarbeitenden Plan und somit auf dem Vermeiden von Änderungen. Es folgt daher einem monolithischen Ansatz, bei dem zu Projektbeginn ein detaillierter Endzustand sowie ein punktgenauer Ablauf mitsamt Produktionsprozess und Zeitkontingent vordefiniert wird. Projektphasen folgen dabei linear aufeinander und deren jeweilige Abschlüsse werden als sogenannte Meilensteine gewertet.

Diese standardisierte Vorgehensweise, bei der das Hauptaugenmerk klar auf der Projekt- bzw. Endzustandsdefinition mit einer Vielzahl an zu evaluierenden Anforderungen liegt, ermöglicht eine recht hohe Planungssicherheit, wodurch das klassische Projektmanagement den Ruf eines zuvorderst risikoarmen sowie gut kalkulierbaren Ansatz erhalten hat, der auch heute noch der Historie entsprechend grundsätzlich im Bauwesen zum Einsatz kommt, jedoch in seinen Ansätzen branchenübergreifend Verwendung findet.

Aber auch wenn das klassische Projektmanagement also zweifellos über viele Kontroll- und Steuerungsmethoden verfügt, so ist eine hundertprozentige Planungssicherheit natürlich nahezu unmöglich. Unvorhergesehene Veränderungen oder falsche Annahmen führen nicht selten dazu, dass die initialen Budgetplanungen und der gesteckte Zeitrahmen gesprengt werden. So scheitern laut einer jährlich durchgeführten CHAOS-Studie der Standish Group durchschnittlich gut 20% aller Großprojekte im digitalen Umfeld und mehr als die Hälfte erfüllen nicht die angepeilten Zielsetzungen. Dabei gilt: Je umfangreicher sowie vielköpfiger das Projektvorhaben, desto schwieriger gestaltet sich die optimale Umsetzung des Unterfangens.

Flexibilität als Schlüssel — Agiles Projektmanagement

Um das eher traditionelle Prinzip des klassischen Projektmanagements an die heutige Zeit anzupassen, wurden in den vergangenen Jahren neue Management-Methoden entwickelt, die sich teils als genaues Gegenteil zur klassischen Methode positionieren. So basiert das agile Projektmanagement auf einer iterativ-inkrementellen Vorgehensweise, welche Stringenz durch Flexibilität ersetzt. Hierbei wird eine Produktvision und ein auf den bislang bekannten Produktwünschen basierendes Backlog erstellt, welches stets angepasst werden kann. Im Gegensatz zur klassischen Variante sollen dadurch auftretende Veränderungen nicht vermieden, sondern geradezu ergriffen werden, um mögliche Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen und zu korrigieren.

Der Fokus liegt also nicht auf dem Durchplanen aller Arbeitsschritte von Anfang bis Ende, sondern auf kurzen Feedbackschleifen und einer kontinuierlichen Prozessoptimierung je Iteration, an deren Ende immer ein funktionelles Produktinkrement bzw. ein MVP stehen sollte. Die agile Methode besticht somit durch kurze Entwicklungsphasen, eine schnelle Einbeziehung der künftigen Nutzer sowie eine daraus resultierende hohe Adaptivität.

Da die Koordination hierbei vom Team autonom übernommen wird, herrscht beim agilen Vorgehen ein enormer Kommunikations- und Abstimmungsbedarf, der eine nicht minder große Eigenverantwortlichkeit voraussetzt. Die hierdurch fehlende Hierarchie und mangelnde Zuständigkeitszuweisungen sind häufig schwer mit etablierten Unternehmensstrukturen zu vereinen. Zusätzlich verschwimmt bei der agilen Methode mit ihren kurzen Phasen oftmals der Gesamtüberblick über die komplette Projektentwicklung und somit auch die Vorhersehbarkeit, was das Endergebnis eines Projektes überhaupt darstellen soll.

Beide Methoden haben somit ihre Vor- und Nachteile. Sind die Anforderungen eines Projektes einfach zu präzisieren und Änderungen unwahrscheinlich, ist das klassische Projektmanagement mit seiner klaren Organisationsstruktur und dem Schwerpunkt auf der gesamten Projektdokumentation die Go-To-Variante. Sind Änderungen wahrscheinlich sowie kontinuierliche Anpassungen absehbar bzw. gewollt, verfügt das agile Projektmanagement dank seiner Flexibilität über Vorzüge, die beim klassischen Modell nahezu vollkommen außer Acht gelassen werden.

Der Creative Director als Schnittstelle zwischen Projektleiter, Team und Nutzer

Heutzutage werden Projekte auch häufig hybrid gestaltet, indem Methoden sowohl aus dem klassischen als auch aus dem agilen Projektmanagement zum Einsatz kommen. So wird der übergreifende Projektrahmen oftmals im klassischen Sinne definiert, wogegen einzelne Teilbereiche je nach Aufgabe und Zielsetzung z.B. durch Sprints agil gemeistert werden. Das reibungslose Zusammenspiel der verschiedenen Methoden ist natürlich die Grundvoraussetzung für den Projekterfolg und liegt im Verantwortungsbereich des Projektleiters.

Um dessen Rolle mit seinen vielfältigen Aufgaben gerade bei digitalen Großprojekten zu entlasten und ein mögliches Risiko des Scheiterns zu minimieren, setzen Unternehmen vermehrt auf den zusätzlichen Einsatz eines Creative Directors (CD). Dieser ist allerdings, anders als man ihn z.B. aus Werbeagenturen kennt, nicht mehr nur als Konzeptioner oder Ideenbringer zu verstehen, sondern wird durch die Erweiterung seiner Aufgabenbereiche hinsichtlich des agilen Projektmanagements in die Umsetzungsverantwortung gezogen. Klassische Projektmanagement-Aufgaben werden also mit in die Rolle des CDs implementiert.

Der Vorteil: Ein Creative Director besitzt nicht nur eine umfassende Projekterfahrung sowie ein ausgeprägtes Expertenwissen, er verfügt auch über erweiterte Kenntnisse hinsichtlich Teamführung und -zusammenstellung. Als kreativer Kopf eines Teams ist der CD somit sowohl Führungskraft, Experte als auch Projektmanager agiler Arbeitsmethodiken in einem und entspricht damit allein schon in seiner Rolle einem ganzheitlichen Ansatz, der im digitalen Kontext notwendig ist, um Lösungswege durch den Komplexitätsdschungel zu finden.

Als ergänzendes Element zum Projektleiter verantwortet er meist den nutzerorientierten und strategischen Teil eines Projektes mit all seinen Facetten oder steht gar darüber, um im gesamten Unternehmen Synergien sicherzustellen. Die Kombination aus Berater, Planer und Umsetzer macht ihn hierbei zum perfekten Verbindungsstück zwischen allen involvierten Bereichen und zu einem wichtigen Baustein bei der Umsetzung von komplexen digitalen Projektvorhaben.

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