Teamkultur – Gemeinsam Großes bewirken

Veröffentlicht am 19. April 2021

Noah Friedrich

Die digitale Transformation zeigt uns nicht zuletzt in der aktuellen Lage auf, dass starre Abläufe sowie traditionelle Unternehmensstrukturen moderneren Ansätzen weichen werden, die bereits heute Schlagworte wie Flexibilität, Kollaboration und Individualität für sich beanspruchen. Es geht dabei nicht nur um das Wie und Wo wir in Zukunft arbeiten, sondern auch immer mehr um das Warum wir für Wen in welcher Rolle arbeiten.

Die Antworten hierauf sind natürlich bei weitem noch nicht abschließend geklärt, aber es gibt bereits eine Reihe von Modellen, die zumindest die richtigen Fragen stellen: Wie muss sich die Kultur darstellen, in der ein Team wachsen und unter einer Vision vereint werden kann? Und wie kann das Bewusstsein gegenüber der eigenen Rolle geschärft werden, ohne dass hierbei je nach Anforderung flexible Anpassungen negiert werden?

 

Klassische Hierarchien in digitalen Zeiten

Nicht erst seit gestern schallt der Ruf nach mehr Selbstständigkeit und Flexibilität durch die Hallen der sich im Abriss befindlichen Großraumbüros. Der vor allem auch durch die digitalen Errungenschaften der vergangenen Jahre wachsende Drang nach Freiheit und die verwischenden Grenzen zwischen Arbeits- und Privatwelt haben dafür gesorgt, dass die neuen Generationen an Nachwuchskräften eine Abkehr von starren Strukturen und klassischen Hierarchien fordern. Eine Revolution gegen autokratische Führungsprinzipien sowie bürokratische Vorschriften und für mehr Teilhabe innerhalb einer Organisation.

Dass ein solch radikaler Wandel der Arbeitskultur im Angesicht der digitalen Transformation aber nicht branchenübergreifenden in Lichtgeschwindigkeit vollzogen werden kann - oder einfach nicht gewollt ist -, ist dabei ebenso wenig überraschend, wie nachvollziehbar. In vielen Unternehmen wird schlicht weiterhin auf altbewährte Organisationsstrukturen gesetzt, da der zugrundeliegende Prozess sowie das Etablieren verschiedener Spezialisten-Teams innerhalb von Abteilungen eine gewisse Steuerbarkeit und nicht zuletzt Kontrolle mit sich bringt.

Jedoch birgt dieses Verharren auf einer traditionellen Unternehmenskultur gerade im digitalen Zeitalter mehr Risiken als Vorteile. Während sich in klassischen Hierarchien nämlich Ideen als auch komplexe Probleme erst durch einen Dschungel aus Zuständigkeitsfragen und Bosslevel winden müssen, wartet die agile Konkurrenz dank ihrer Flexibilität durch regelmäßige taktische Meetings, klarer Verbindlichkeiten und transparenter Kommunikation bereits mit Lösungen auf – und Geschwindigkeit gilt heutzutage als Prädikat für Wettbewerbsfähigkeit.

Das Hauptstichwort ist allerdings Unzufriedenheit: So haben laut einer unter 10.000 Arbeitnehmern durchgeführten LinkedIn Studie knapp 50% der Befragten bereits ihren Job gewechselt, weil sie keine Möglichkeit sahen, in einer klassischen Hierarchie die Karriereleiter hochzuklettern. Und nicht nur die Mitarbeiter haben ihre Probleme mit starren Organisationen – auch die Kunden wenden sich schnell ab, wenn Prozesse gefühlte Ewigkeiten dauern und Verantwortlichkeiten nur im luftleeren Raum bestehen.

 

Von Spotify bis Holacracy – Agile Organisations-Modelle

Wer sich nun fragt, wie eine neue, agile Unternehmenskultur aussehen könnte, der sollte sich vergegenwärtigen, welche agilen Methoden vielleicht schon im eigenen Unternehmen eingesetzt wurden. Gerade die Scrum Methode, die sich im letzten Vierteljahrhundert als Standard für die agile Produktentwicklung sowie das agiles Projektmanagement etabliert hat, bildet mit ihrem teambasierten Rahmenwerk sozusagen die Grundessenz für die neuen Organisationsmodelle.

Eine der ersten Firmen, die Scrum weitergedacht und auf die gesamte Unternehmensausrichtung übertragen hat, war das schwedische Start-Up Spotify. Der Branchenführer im Musikstreaming sah den Teamaufbau nicht nur als einzelne, projektbezogene Entität, sondern als Kerninspiration für das strukturelle Modell des gesamten Unternehmens – Mit dem Hauptaugenmerk auf die Vernetzung untereinander.

Kleine multidisziplinäre Teams(Squads), die autonom agieren, bilden die Basis des Modells. Die Teams sind jedoch nicht stringent voneinander getrennt, sondern schließen sich zu sogenannten Tribes zusammen, wenn die Arbeit mehrerer Squads in einem direkten Kontext zueinander steht. Dies erlaubt einen kontinuierlichen Austausch über gemeinsame Projekte und je nach Umfang sowie Komplexität kann auf kleineres oder größeres Arbeitspotenzial zugegriffen werden.

Zusätzlich setzt Spotify auf verschiedene übergreifende Gruppen, welche den Teamansatz erweitern. So bestehen Chapters aus allen Mitarbeitern der gleichen Profession innerhalb eines Tribes, in denen ein Chapter-Lead die Spezialisten bei der Entwicklung sowie Aneignung neuer Kompetenzen unterstützt. Zudem stellen Guilds freiwillige Gruppen dar, in denen Mitarbeiter jeglicher Coleur zusammenfinden, um sich zu vernetzen und bei der Weiterentwicklung sowie Gestaltung der gesamten Organisation mitzuwirken.

 

„People are natural innovators. So just get out of their way and let them try things out.“ – Spotify Model

In eine ähnliche Richtung geht auch Brian Robertson, der auf der Suche nach einer Art ‚sozialen Technologie‘, um sein eigenes Unternehmen umzustrukturieren, mit dem Holacracy Modell aufwartete. Der aus dem griechischen Begriff holon abgeleitete Name zeigt hierbei auch schon die dahinter liegende Intention: holon bedeutet nämlich so viel wie „Teil eines Ganzen sein“.

Holacracy ist in vielerlei Hinsicht das Gegenmodell zur klassischen Hierarchie, in dem jeder Kreis (Aufgabenbereich) sich selbst organisiert und autonom funktioniert. Innerhalb dieser Kreise werden Rollen verteilt, die festgelegte Verantwortlichkeiten und einen bestimmten Zweck (Purpose) haben, der sich am Zweck des Unternehmens ausrichtet. Wächst die Organisation, können durch die Schaffung oder Neudefinition von Rollen und durch das Aufgliedern der Zuständigkeitsbereiche in Unterkreise neue Potenziale ausgehoben werden.

„Holacracy is not a governance process of the people, by the people, for the people – it‘s governance of the organization, through the people, for the purpose.“ – Brian Robertson

Die Koordination der Kreise erfolgt Scrum-ähnlich hauptsächlich durch regelmäßige Meetings, in denen die Arbeit sowie Zielsetzung synchronisiert wird. In Tacticals werden so zu Wochenbeginn der aktuelle Stand sowie die nächsten Schritte der kreis-spezifischen Projekte besprochen. Für komplexere Probleme kommen alle adäquaten Rollen in Issue-specific Meetings zusammen, die bei der Lösungsfindung helfen können. Und um den Zweck eines Kreises bzw. größere strukturelle Veränderungen zu bewerten, werden alle paar Monate Governance Meetings durchgeführt.

Kommunikation ist also das A und O vom Holacracy Modell, in dem Positionen und Titel genauso verbannt werden wie starre Abteilungen. Die Arbeit ist dabei streng aufgabenorientiert organisiert und jeder Mitarbeiter muss sich der sogenannten Holacracy Constitution verschreiben. Diese Verfassung erklärt in 5 Artikeln, die sich in zahlreichen Unterparagraphen verfangen, wie Holacracy umzusetzen ist und was alles beachtet werden muss, damit in all der Autonomie keine Anarchie entsteht.

 

Zugrundeliegende Prinzipien einer gelebten Teamkultur

Die Umsetzung von Modellen wie Holacracy stellt nicht nur ein großes Unterfangen dar und erfordert ein allumgreifendes Umdenken hinsichtlich der Organisationsstruktur und Arbeitsgestaltung, sie kommen zum Großteil in Deutschland auch bislang fast nur in Agenturen, der IT- und Software-Branche sowie in verschiedensten Beratungsunternehmen zum Einsatz.

Dies liegt vor allem auch daran, dass diese Ansätze zur Veränderung der Gesamtstruktur eines Unternehmens häufig wie Extreme daherkommen und geradezu als harsche Gegenspieler vergangener Modelle auftreten. So bedeutet flache Hierarchie nicht unbedingt keine Hierarchie und Führungskräfte sind auch nicht durchgehend Autokraten, die ihre Mitarbeiter ständig kontrollieren und kleinhalten.

Das Wichtigste bei solch agilen Modellen sollte deshalb auch nicht der reine organisatorische Aufbau sein, sondern die grundlegenden Prinzipien und die gemeinsame Unternehmensvision, die sich darin widerspiegeln. Nur wenn jeder Mitarbeiter auch wirklich bewusst im gleichen Boot sitzt und seinen eigenen Beitrag zum großen Ganzen leisten kann, ist die Basis für eine fortwährende und sich stets weiterentwickelnde Organisationsstruktur gelegt.

Crossfunktionale Teams, bei denen Diversität eine Auszeichnung ist, sind hierbei ein wesentlicher Bestandteil, um das agile Prinzip der Freiwilligkeit und Selbstverpflichtung zu leben. Klare Zuständigkeitsbereiche sollten deshalb in jeglichem Unterfangen etabliert werden, sodass Verantwortung nicht zu einem abgenutztes Schlagwort verkommt, welches hinterrücks weitergegeben wird, sondern vielmehr zu einem klaren Bekenntnis zu sich selbst und dem größeren Ziel wird.

Dieses Ja zur Verantwortung braucht aber natürlich auch den richtigen Nährboden. So muss die Kommunikation und Transparenz innerhalb eines Teams sowie auch innerhalb einer Organisation gefördert werden, um einen Austausch auf Augenhöhe zu gewährleisten. Dabei können verschiedene Modelle Hilfestellung leisten, aber auch Führungskräfte haben die Möglichkeit, Verantwortung zu delegieren und auf verschiedene Schultern zu verteilen. Deshalb sollte unabhängig davon, wie wenig oder stark Hierarchien vorherrschen, die Basis gegenseitiges Vertrauen und Empathie sein.

Dazu gehört auch eine Bereitschaft zur Fehlerkultur. Das bedeutet, sowohl Fehler anzuerkennen als auch den Mut aufzubringen, Fehler zu machen. Denn Fehler gehören nicht nur zum Alltag dazu, sie sind auch perfekt um Rückschlüsse auf Prozesse oder Methoden zu ziehen und die daraus resultierenden Learnings sind ein erforderlicher Teil einer langfristigen Strategie.

 

Gemeinsam mehr erreichen

Als agiles Unternehmen wollen wir bei forwerts ein gutes Vorbild für eine gesunde Teamkultur sein – Für uns selbst und für unsere Kunden. Die Teamkultur wird daher regelmäßig reflektiert und der Austausch untereinander gestärkt, sodass sichergestellt wird, dass sich jeder im Team nicht nur durch seine Aufgaben und Verantwortlichkeiten definiert, sondern der Stellenwert jedes Einzelnen als Teil des großen Ganzen gewürdigt und herausgestellt wird. Interne Projekte, eigene Vorschläge oder Ideen werden dabei genauso gefördert wie die Grundwerte, denen wir uns verpflichten, und die gemeinsame Vision, der wir uns verschrieben haben.

Als User Experience Experten wollen wir unseren Nutzern Gehör schenken. Das können wir nur wahrhaftig erreichen, wenn wir dieses Vorhaben genauso vehement auch intern im Team, bei unseren Kollegen und Partnern beherzigen. Jeder soll sich gebraucht fühlen und jeder soll seine Stimme haben – Dann entsteht eine offene Kultur, die ihre eigene Dynamik entwickelt und weit über die Grenzen eines Teams hinausreicht.

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