User Experience Writing – Die Macht der Worte beim Thema Nutzererlebnis
Im Umgang mit digitalen Produkten und Services entscheidet die User Experience darüber, wie einfach ein Nutzer innerhalb eines Prozesses durch intuitive Interaktionen von Punkt A nach B geleitet werden kann. Um das Nutzererlebnis so reibungslos wie nur irgend möglich zu gestalten, muss dem jeweiligen Nutzer also das notwendige Rüstzeug an die Hand gegeben werden, damit er selbstständig und erwartungsfroh sein angedachtes Ziel erreichen kann. Das Rüstzeug zum Handeln erhält der Nutzer dabei durch das UX Writing, welches alle Texte umfasst, die ein Nutzer über das User Interface sieht und hört – von Erklärungen über den eigentlichen Content bis hin zu Handlungsaufforderungen.
Das UX Writing befähigt die Nutzer sozusagen zum Handeln, indem ihnen Funktionen einfach erklärt und wählbare Optionen aufgezeigt werden. Als zentraler Aspekt der Usability liefern Texte oder auch nur einzelne Wörter den Nutzern somit die notwendigen Informationen, damit eine User Journey überhaupt erst gestartet und durchgeführt werden kann. Obwohl die Wichtigkeit der Nutzerführung nach dem Content-First-Prinzip bekannt ist, werden Texte innerhalb eines Projektes jedoch weiterhin noch viel zu oft in den Hintergrund gedrängt und erst viel zu spät in den Designprozess mit eingebunden.
Copywriting vs. UX Writing – Warum eine Unterscheidung hilfreich ist
Was wir sagen und wie wir etwas sagen, hat einen großen Einfluss darauf, wie das Gesagte auf andere wirkt. Beim vorrangig im Marketing angesiedelten Copywriting ist es deshalb häufig gang und gäbe, mit markigen Sprüchen für Aufmerksamkeit zu sorgen und nicht minder selten damit zu provozieren. Werbetexte sollen schließlich Kunden anlocken, sind rein Business-orientiert und haben zur Hauptaufgabe, ein Produkt/eine Marke zu verkaufen. Im Gegensatz hierzu ist das UX Writing rein Produkt- bzw. Service-orientiert und stellt nicht die (Neu-)Kunden, sondern die existierenden und zukünftigen Nutzer in den Vordergrund.
Während Copywriting im Sinne des Marketings kreative Geschichten erzählt, um die Kunden zum Kauf zu verführen, begleitet das UX Writing die Nutzer mithilfe einer einfachen, verständlichen Sprache auf ihrer Reise und bietet die nötigen Stützen, um das Nutzererlebnis angenehm und zielorientiert zu gestalten. Der Fokus liegt demnach weniger auf einer kreativen oder gar mehrdeutigen Schreibweise, sondern auf dem Transfer von oftmals abstrakten technischen Vorgängen in ein greifbares Konstrukt, welches einfach vom Nutzer durchdrungen werden kann.
Dies soll aber nicht bedeuten, dass Copywriting und UX Writing in erster Linie Gegensätze darstellen. Konsistenz, Tonalität und Ansprache sind in beiden Disziplinen die Voraussetzung für funktionierende Texte. Und auch wenn die Themen Kreativität und Storytelling eher mit dem bekannten Copywriting-Ansatz verbunden werden, sind sie, je nach Anforderung, auch im UX Kontext von gewisser Bedeutung. Der größte Unterschied ist daher, dass UX Writing eine direkte Korrelation mit dem Design einer digitalen Anwendung hat. Ohne gutes UX Writing kann nämlich ein noch so ausgefeiltes und ansprechendes Design in der kompletten Unverständlichkeit hinsichtlich der Usability versinken.
Was macht gutes UX Writing aus?
Gutes UX Writing ist ...
Klar: Die Sprache des Gegenübers zu sprechen ist das A und O jeglicher Kommunikation. Je nach Zielgruppe sollte daher auf eine unmissverständliche sowie passende Wortwahl geachtet werden. So begrüßen spezifische Gruppen u. U. technischere Begriffe wie bei der Mitteilung „Ein Authentifizierungsfehler ist aufgetreten“, während für das Gros der Anwender eher einfacher zu verstehende Worte und eine persönliche Ansprache à la „Du hast/Sie haben ein falsches Passwort eingegeben“ zielführender ist. Schlussendlich kommt es immer auf den Gesamtkontext an und wie die Zielgruppe die Sprache am einfachsten decodieren kann.
Prägnant: Die meisten Menschen scannen die Informationen, die ihnen online präsentiert werden, anstatt alles Wort für Wort zu lesen. Diesem Verhalten sollte entgegengekommen werden, indem vorrangig auf kurze, prägnante Sätze, bestehend aus maximal einem Dutzend Wörter, und eine klare Struktur gesetzt wird. Hervorstechende Überschriften und Zwischentitel sowie Absätze, welche nicht mehr als fünf Zeilen umfassen, schaffen eine gewisse Übersichtlichkeit und helfen, das Design an dem Inhalt auszurichten. Gleichzeitig sollten die wichtigsten Informationen vom Start weg zugänglich sein und dem Nutzer direkt ins Auge springen.
Hilfreich: Gute UX und somit auch UX Writing soll den Nutzern helfen, so schnell und einfach wie möglich an ihr Ziel zu kommen. Deshalb ist es nicht nur wichtig zu verstehen, was das Ziel der einzelnen Nutzer darstellt, sondern wie die gesamte UX die Nutzer bei dieser Zielerreichung unterstützen kann. Ein Call-to-Action (CTA), also eine Handlungsaufforderung, sollte sich daher immer klar vom Rest absetzen (Farben, Labels, Buttons etc.) und die Nutzer tatsächlich auf ihrer Reise weiterbringen. Die Nutzer wollen schließlich stets wissen, wo sie sich auf ihrer Reise befinden, welche Schritte noch zu gehen sind und was sie dafür tun müssen. Jedes noch so kleine Wort sollte deshalb als richtungsweisendes Element gesehen werden, welches die Nutzer in ihren Handlungen bestärkt und eine unkomplizierte Reise gewährleistet.
Microcopy – Eine Frage der Persönlichkeit
Der wichtigste Aspekt beim UX Writing dreht sich um einzelne Wörter oder kleine Textschnipsel, die im UI verbaut sind und Microcopy genannt werden. Zu ihnen gehören u. a. CTA-Button und -Schaltflächen, Fehler- und Erfolgsmeldungen, Platzhaltertexte oder 404-Seiten. Sie sind ein unabdingbarer Baustein, um der Interaktion mit einer Maschine eine natürliche und somit menschliche Note beizufügen. Die Microcopy sollte deshalb weder rein technische Informationen enthalten noch im Marketing-Sprech verfasst sein, sondern alltagstaugliche Formulierungen nutzen, welche für die Nutzer die Interaktionsmöglichkeiten nachvollziehbar machen. Dies bedeutet auch, dass vor allem Schlagworte, die Nutzern im digitalen Kontext seit Jahren begegnen und z. B. in der Navigation verwendet werden, einheitlich sind und – ähnlich wie bei Icons – nicht von der Norm abweichen.
Mircocopy stellt sozusagen die Stimme dar, die Nutzer auf ihrer Reise begleitet, ihnen mit Tipps zur Seite steht und sie auch mal in die richtige Richtung nudgt. Zusätzlich hilft gute Microcopy auch dabei, der Marke eine aussagekräftige Persönlichkeit mit Wiedererkennungswert zu geben. Dazu reicht es im ersten Schritt bereits aus, sich vorzustellen, wie das Produkt klingen würde, wenn es eine Person wäre. Ein guter Startpunkt könnte hier auch sein, die eigenen Social Media Kanäle zu durchforsten und zu schauen, welche Wörter die bereits vorhandenen Nutzer in ihrer Kommunikation verwenden. Sie sind es schließlich, die mit dem Produkt oder Service in Interaktion treten.
Grundsätzlich gilt auch hier, wie bei jeglichem UX Teilaspekt, eine konsistente Design-Sprache zu finden, die Authentizität ausdrückt und dank gutem User Research zu einem höheren Nutzerverständnis führt. Optimalerweise verschmelzen Farbe, Bilder und Texte im Zusammenspiel so zu einem ganzheitlichen Nutzererlebnis, welches die (Mehr-)Werte und die Einzigartigkeit der Marke widerspiegelt. Dies bedeutet jeglichen Berührungspunkt stetig auf Konsistenz zu überprüfen, wobei es sich bei größeren Bestrebungen sogar lohnen kann, einen dezidierten UX Writing-Styleguide zu entwickeln.
Vollumfängliches Design im Sinne der Nutzer
Texte helfen den Nutzern Produkte und Services besser zu verstehen, Handlungsoptionen zu identifizieren und eine reibungslose User Journey zu erleben. Es ist also höchste Zeit, UX Writing als essenziellen Teil des UX Designs anzusehen. Die gebräuchlichen Lorem-Ipsum-Blindtexte sind deshalb nicht per se über ihren Zenit, jedoch können Texte einen solch großen Einfluss auf die Struktur und das visuelle Design haben, dass es schlicht nicht mehr ausreichend ist, Texte als nachträgliche Idee zu behandeln, denen erst am Ende eines Konzeptionsprozesses eine Daseinsberechtigung erteilt wird, wenn es um das Gestalten überzeugender digitaler Services und Produkte geht. Interaktion bedarf immer auch dem Austausch von Informationen – und die Nutzer erwarten zu Recht, dass der darin liegende Kommunikationsprozess transparent, empathisch und zielführend ist.
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Quellen:
https://medium.com/mr-koreander/how-a-brand-personality-makes-your-ux-writing-sparkle-ffda1ea6856b
https://www.redhat.com/en/blog/infusing-your-ux-writing-brand-personality
https://www.nngroup.com/articles/how-people-read-online/
https://userlutions.com/blog/ux-design/ux-writing-8-guidelines/
https://careerfoundry.com/en/blog/ux-design/what-is-microcopy-ux/
https://blog.supertext.ch/2021/08/ux-writing-was-es-ist-und-wann-man-es-braucht/