Von Zielgruppen und Personas – Wege zum besseren Nutzerverständnis

Veröffentlicht am 08. April 2022

Fabienne Pascale Schreier

Wer kauft und nutzt schlussendlich unser Produkt oder unseren Service? Eine Frage, die sich jedes Unternehmen bei jeglichem Projekt immer wieder aufs Neue stellen muss. Sei es bei der Produktentwicklung, der Überarbeitung eines Vertriebsmodells oder dem Aufsetzen einer neuen Marketing-Strategie, die Definition eines Zielgruppenmodells ist unabdingbar, um Nutzer sowie potenzielle Kunden effektiv anzusprechen und deren Lebensrealitäten in die Überlegungen miteinzubeziehen.

Das Sammeln und Analysieren von bereits vorhandenen oder durch z. B. Befragungen neu erschlossener Kundendaten ist daher immer der Startpunkt, wenn es um das Eingrenzen und Definieren einer möglichst homogenen Zielgruppe geht. Dabei gilt: Je genauer die Zielgruppendefinition, desto besser kann auf die Bedürfnisse der Kunden eingegangen werden. Doch reicht in einer Welt, die immer mehr Wert auf Personalisierung und Individualisierung legt, eine recht breit gefächerte Eingruppierung noch aus? Und warum wird gerade bei digitalen Anwendungen eher auf sogenannte Personas denn auf die üblichen Zielgruppen gesetzt?

 

Zielgruppenanalyse – Eine Milieustudie

Zielgruppen an sich sind gesichtslos und können eher als Abstraktionen der tatsächlichen Käufer bzw. Nutzer eines Unternehmens verstanden werden, da sich die Mitglieder einer Gruppe nur selten durch eine wahrhaft übergreifende Homogenität auszeichnen. Sie werden vielmehr auf gemeinsame Attribute reduziert, während existente unterschiedliche Charaktereigenschaften nicht mit in die Gleichung aufgenommen werden. Das Zuordnen von Bestandskunden und potenziellen Interessenten richtet sich somit rein an der Übereinstimmung gleicher, recht breit gefasster Attribute aus.

Die in den 70er Jahren entwickelte Einteilung in Sinus-Milieus ist dabei heute noch einer der weit verbreitetsten Ansätze in der Zielgruppenforschung. Die Milieus-Einteilung erfolgt hier anhand eines zweidimensionalen Koordinatensystems, in dem zum einen die „Soziale Lage“ (Unter-, Mittel- oder Oberschicht) eingestuft und zum anderen nach der „Grundorientierung“ (Tradition, Modernisierung/Individualisierung und Neuorientierung) geclustert wird. Zudem werden soziodemografische Eckdaten (z. B. Altersspanne, Bildungsstand und Einkommen) erfasst sowie Meinungsübereinstimmungen hinsichtlich Alltagsthemen (z. B. Arbeit, Konsum und Familie) berücksichtigt.

Die Gruppierung bisheriger Kunden auf Grundlage der sich ähnelnden Lebenswelten und die empirische Analyse jener Zielgruppen sind daher verhältnismäßig einfach zu vollziehen und ermöglichen eine einigermaßen direkte Ansprache potenzieller Interessenten, die der Zielgruppe entsprechen. Jedoch gehen die Annahmen natürlich von einem Gruppendurchschnitt aus, welcher der Lebensrealität von Einzelpersonen womöglich nicht gerecht wird, da implizite Kundeninformationen schlichtweg nicht erfasst werden können. Verhaltensweisen und Bedürfnisse, die auf den Erfahrungen oder Intuitionen der Personen basieren, bleiben somit unbekannt und verleihen der Analyse von Großgruppen einen sehr abstrakten Charakter.

 

Personas – Der archetypische Idealkunde

Um der Zielgruppenanalyse eine neue Dimension zu geben und sich besser in die Kundenperspektive hineinzuversetzen, werden heutzutage fiktive Figuren genutzt, die den realen Eigenschaften der Zielgruppe Rechnung tragen und Personas genannt werden. Eine Persona vertritt in jeder Gruppe einen archetypischen Idealkunden, der vom Namen über den Job bis hin zu Hobbys und Freundeskreis erarbeitet wird. Ziel ist es hierbei, mithilfe realitätsnaher Kombinationen einen Protokunden zu erschaffen, der nicht nur auf statistischen Daten beruht, sondern eine detaillierte Lebenswelt sein Eigen nennt.

Die vormals abstrakten Zielgruppen verlieren hierdurch ihren Pauschalisierungscharakter und werden durch das Abbilden tatsächlicher Lebensrealitäten erlebbar gemacht. Dies ermöglicht den Projektbeteiligten, sich mit dem Nutzer zu identifizieren, ihn besser zu verstehen und eine klare Kundenperspektive einzunehmen. Zudem ist es einfacher sich im Design-Prozess in eine ausgearbeitete Persona einzudenken, wenn es um das gemeinsame Berücksichtigen realer Bedürfnisse und das Identifizieren von Nutzeranforderungen geht.

Empirisch erhobene Kundendaten sollten aber trotzdem die Grundlage einer Persona bilden, um eine möglichst hohe Objektivität zu gewährleisten, da rein subjektive Annahmen oder gar Klischees den Realitätsgehalt verwässern können. Außerdem repräsentiert eine Persona von Natur aus nur einen sehr spezifischen und somit kleinen Kundenkreis. Es ist deshalb wichtig, dass für jede Gruppe mehrere Nutzertypen ausgearbeitet werden, die sich in ihren Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen auch unterscheiden.

 

Warum sich Zielgruppenanalyse und Personas nicht ausschließen

Sowohl bei der Bildung von Zielgruppen als auch bei der Anwendung des Personakonzepts steht die Auseinandersetzung mit Kundendaten im Vordergrund. Während bei der Zielgruppenbildung reale Käufer analysiert und anhand ihrer Eigenschaften Gruppen zugewiesen werden, werden die Ergebnisse der Kundendatenanalyse bei der Erstellung einer Persona dafür genutzt, um einen fiktiven Archetypen zu kreieren, der einen spezifischen Kunden innerhalb einer Gruppe repräsentiert.

Die unterschiedlichen Segmentierungsmethoden schließen sich dabei aber nicht aus, sondern können auch kombiniert werden. Die Zielgruppenanalyse, die sich vor allem zur Auswertung und Verwaltung von Kundendaten eignet, kann eine erste Übersicht über die unterschiedlichen Gruppierungen liefern. Diese Grundlage lässt sich wiederum als Basis mitsamt Eingrenzungskriterien für die Personaerstellung verwenden. Die Methodenkombination erlaubt somit das Miteinbeziehen implizierter Charaktereigenschaften, ohne dabei Gefahr zu laufen, die objektiven Ergebnisse der empirischen Analyse zu vernachlässigen.

Unabhängig von der Methode oder ihrer Kombination sollte aber darauf geachtet werden, dass der Käufer von Produkten nicht immer auch den Nutzer darstellt. Dies ist besonders bei Geschenkartikel der Fall, aber auch wenn es z. B. um Kindermode, Spielzeug oder selbst Buchungssysteme geht. Kinderkleidung wird schließlich zumeist von Eltern bzw. Erwachsenen gekauft und Premium-Angebote werden häufiger von Assistenten gebucht anstatt von den Executives selbst, an die sie sich eigentlich richten.

 

Wir bei forwerts arbeiten hauptsächlich mit Personas, da sich die konkreten Figuren bei Nutzertests besser dafür eignen, um sich wahrhaftig in die jeweilige Nutzerrolle hineinzuversetzen. Das regelmäßige Ausarbeiten und Schärfen der Rollen hilft dabei, beim Erstellen neuer digitaler Produkte den Nutzer indirekt miteinzubeziehen und seine Bedürfnisse besser zu verstehen. Personas stellen daher ein wichtiges Instrument dar, mit dem wir ein einheitliches Verständnis für die Zielgruppe im Projektkontext vermitteln und den nutzerorientierten Fokus über den gesamten Entwicklungsprozess erhalten können.

 

 

Quellen:

https://www.artundweise.de/magazin/zielgruppen-wie-gemalt-in-personas-denken

Branded Interactions – Fachbuch von Marco Spies

https://www.advidera.com/blog/zielgruppe-persona/#:~:text=m%C3%B6glich%20zu%20gestalten.-,Zielgruppe%20und%20Persona%20in%20Kombination%20nutzen,individuell%20zu%20gestalten%20(Persona).

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