Warum mehrdimensionales Denken für User Experience Designer wichtig ist

Veröffentlicht am 06. May 2022

Nina Hanselmann

Der Fokus lag und liegt bei der User Experience, wie es der Name bereits verrät, zuvorderst auf den Nutzern, deren Bedürfnissen und Anforderungen Rechnung getragen werden muss. Jedoch beinhaltet jegliches UX-Projekt nicht nur die Meinung der Nutzer, sondern auch die Ziele und Wünsche der Stakeholder. Beide Perspektiven müssen in der UX Berücksichtigung finden und zusammengeführt werden, damit eine gemeinsame Lösung erarbeitet werden kann.

User Experience Design bedeutet deshalb Design im Kontext zu sehen und zu gestalten. Diesen Kontext, der gleichzeitig einen mehrdimensionalen Raum darstellt, gilt es möglichst in Gänze zu durchdringen, um eine umfassende UX zu generieren. Je klarer dieser Kontext in all seinen Dimensionen also verstanden wird, desto einfacher können die Zusammenhänge innerhalb des Raumes etabliert und dessen Grenzen abgesteckt werden. Grenzen, die somit auch den Rahmen eines Projektes bilden.

 

Mehrdimensionaler Raum – Eine Frage der Orientierung

Design im Kontext zu sehen bedeutet, die in einem vordefinierten und dadurch begrenzten Raum vorhandenen Komponenten zu erfassen und zueinander in Beziehung zu setzen. Der Raum hat also bestimmte Werte inne und bildet gleichzeitig den Rahmen, in dem der Kontext eines Projektes abgesteckt wird. Die sich im Raum befindlichen Elemente/Projektinhalte sind daher absolut zum Raum positioniert und deren Dimensionen demnach erfassbar und messbar. Der Inhalt selbst wird dabei durch Feedback innerhalb des Raumes geprägt und verändert. Der UX-Designer muss also nicht nur die Grenzen des Raumes stets im Blick halten, sondern den gesamten Kontext, in dem er agiert und handelt, bestmöglich verstehen, sodass er die Interessen der Nutzer reflektiert in seinen Konzepten berücksichtigen kann.

Vereinfacht beschrieben umfasst der Projektraum zwei Räume – einen mit den Nutzern und einen mit den Stakeholdern – , die durch einen Gang verbunden sind. In diesem Gang befindet sich der UXler, der beide Räume genau beobachtet. Zum einen kann er so erschließen, welche Erwartungen und Ziele von den Stakeholdern verfolgt werden, zum anderen erlaubt es ihm, die Eigenschaften sowie Kerninteressen der potenziellen Nutzer zu identifizieren, die dem Projekt dienlich sind. Die subjektiven Eindrücke der verschiedenen Nutzergruppen können so mithilfe von Personas identifiziert und geordnet werden. Damit nun Persona und Kunde zusammengebracht werden können, nutzt der UXler sein räumliches Verständnis, um die Intensität der empfangenen Echos zu strukturieren, Mehrwerte der jeweils gegenüberliegenden Räume zu spiegeln und die Essenz der mehrdimensionalen Echos in ein eindimensionales Konzept zu überführen.

Die Experience findet also in einem gewissen Kontext statt und hängt von diesem auch stark ab. Dennoch ist die Experience in erster Linie das Bindeglied zweier Interaktionspartner und wird hauptsächlich von deren Zusammentreffen sowie Interaktionen geprägt. Ergo werden Kontext und Planung erst durch das Abstecken eines Raumes ermöglicht, um alle darin enthaltenen Anforderungen von Stakeholder, Kapazitäten, etc. wahrzunehmen und bestmöglich mit dem Echo der Nutzer zu verknüpfen. Die Leistung des UXlers ist somit auf eine Art vergleichbar mit einem ausgeprägten konzeptionellen oder gar räumlichen Denken, da Planbarkeit nur durch eine klare Orientierung im Raum und einer systemischen Erfassung aller Beziehungen möglich wird.

 

Klarer Fokus durch einen definierten Rahmen

Nutzer- und Businessperspektive zusammenzubringen und die jeweiligen interessenbezogenen Mehrwerte in das Design miteinfließen zu lassen, ist die Hauptaufgabe des Uxlers. Das klare Abstecken des Projektraumes hilft daher dem UXler dabei, sich auf das Wesentliche im Design zu konzentrieren: wie sich beide Parteien gegenseitig einfach finden und wie die Experience/Interaktion zwischen Anbieter und Nutzer optimal gestaltet werden kann. In aller Regel gibt das Endprodukt selbst hierbei bereits gewisse Rahmenbedingungen vor. So können z. B. auf einer Webseite nie alle Sinne eines Menschen angesprochen werden, da sich der Kontext der Webseite allein schon durch das Medium begrenzt, welches, wenn man so will, von Natur aus lediglich auditive und visuelle Reize generieren kann.

Zusätzlich wird der Raum durch die Absicht begrenzt: Was soll wem vermittelt werden? Wo macht welche Ansprache einer Sensorik Sinn? Und was soll das Produkt/der Service über das Unternehmen aussagen? Der Raum sollte sich deshalb immer auf die wesentlichen Inhalte für die Zielgruppe reduzieren sowie die Interessen der Stakeholder mit einschließen, um der Absicht entsprechend schlussendlich eine funktionierende und passende Erfahrung gestalten zu können, die weder die Business- noch die Nutzerperspektive außer Acht lässt.

Dies bedeutet aber nicht, dass der definierte Raum zu einem bestimmten Zeitpunkt vollkommen unveränderbar ist. Agile Methoden innerhalb eines iterativen Designprozesses sind dafür ausgelegt, dass stets auf aktuelle Ereignisse oder neue Gegebenheiten reagiert und reevaluiert werden kann. Erlangte Erkenntnisgewinne fließen somit direkt in die Projektarbeit ein und bedingen mögliche Raumanpassungen. Allerdings sind natürlich nicht alle Aspekte eines Projektes veränderbar. Wird z. B. festgestellt, dass die projektrelevante Bevölkerung überwiegend Fahrrad fährt, dann muss dies auch an entsprechender Stelle kommuniziert und als faktische Grundlage anerkannt werden.

 

Das große Ganze im Blick

Die Kerninhalte bzw. Projektanforderungen bleiben meist dieselben, jedoch verändert sich deren Umfang. Der Raum folgt also einer gewissen Struktur, wenngleich er sich immer wieder erweitern oder verkleinern kann. Gleichzeitig müssen die Beziehungen, Verknüpfungen sowie Berührungspunkte erkannt und gelenkt werden, um ein gestecktes Ziel zu erreichen, da der UXler das Konzept der Nutzerinteraktionen von einem gedanklichen Konstrukt in umgesetzte Realität verwandeln muss. Dies bedeutet auch oftmals abstrakte Konzepte in ein greifbares Medium zu überführen, sodass alle involvierten Parteien ein klares Bild und Verständnis von den Überlegungen bekommen.

Die Kunst des UXlers bei der Kontextbestimmung ist es daher, die Business-Perspektive stetig miteinzubeziehen und als „Kleber“ zwischen den einzelnen Stakeholdern zu fungieren, der die Reflektion der Nutzer wahrnimmt und basierend auf diesem Nutzerecho agiert, berät und gestaltet. Die wahren Mehrwerte für ein Produkt oder einen Service spiegeln sich erst durch diese Echos, die das Feedback der Nutzer und Stakeholder umfassen, wider und erlauben dem Designer hierauf iterativ im Projekt zu reagieren.

Ein UX-Designer muss deshalb nicht gleich zum Projektmanager werden oder ein umfassendes Wertschöpfungskettendenken entwickeln, jedoch begleitet das systemische, mehrdimensionale Denken jeden UX-Designer in allen Projekten, da UX stets den Überblick über den Projektraum behält und im Rahmen dessen agiert. Dieses Erfassen des großen Ganzen gibt Sicherheit und durch den gesetzten Raum auch eine gewisse Resonanz und Messbarkeit. Konzeptionelles oder auch räumliches Denken heißt daher in diesem Zusammenhang nicht nur Kontexte zu erkennen, sondern auch visuelle Grenzen zu setzen, Muster sowie Modelle zu definieren und im besten Fall bei allen Parteien positive Emotionen zu wecken.

 

 

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Quellen:

 

https://www.uxmatters.com/mt/archives/2015/05/understanding-stakeholders-through-research.php

https://www.uxmatters.com/mt/archives/2018/01/stakeholder-management.php

https://www.nngroup.com/articles/stakeholder-analysis/

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