Was bedeutet User Experience – Der Weg zum unverzichtbaren Bestandteil heutiger Produkte & Services

Veröffentlicht am 10. July 2020

Sebastian Baldauf

Selbst ausgewiesenen Experten fällt es häufig schwer, auf die Frage „Was ist User Experience?“ eine klare sowie leicht verständliche Antwort zu geben, ohne dabei in einen Vortrags-Modus abzudriften, der jeglichen Zeitrahmen zu sprengen droht. Bevor wir also etwas tiefer in die Materie eindringen, versuchen wir es mal mit einer einfachen Aussage als Beispiel: „Ich habe mir gerade auf Amazon ein Tablet bestellt.“

Wenn nun jemand fragen würde „Wie hast du das gemacht?“, würden die meisten die Aussage schlicht wiederholen oder vielleicht noch ein „Ich habe es einfach in die Suchzeile eingegeben und auf bestellen geklickt“ hinzufügen. Einfach - Das ist gute User Experience. Es führt einen Nutzer durch einen Prozess, der so leicht zu verstehen und auszuführen ist, dass der Nutzer die ganze Komplexität, die sich hinter diesem Vorgang verbirgt, nicht mitbekommt und die Aufgabe einfach und schnell lösen kann.

Der Ursprung

Die gängige Definition von UX lautet wie folgt: User Experience umfasst die gesamte Bandbreite an Interaktion der Endbenutzer mit einem Unternehmen samt den bereitgestellten Services und Produkten. Der Begriff selbst tauchte zunächst Ende der 80er in Donald Normans Buch The Design of Everyday Things auf, in dem er den Fokus klar auf die Bedürfnisse der Nutzer und somit weg vom im Mittelpunkt stehenden System sowie der Ästhetik der Benutzeroberfläche lenkte.

Doch erst im Laufe der 90er, als Norman bei Apple seine Zelte aufschlug, wurde der Begriff neu aufgerollt und schlussendlich auch zu einer Berufsbezeichnung namens User Experience Architect. Ausschlaggebend war hierbei, dass für ihn und sein Team die etablierten Begriffe wie Human Interface und Usability nicht weit genug gingen, da sie nicht die gesamtheitliche Erfahrung der Nutzer mit einem Produkt oder Service abdeckten.

“No product is an island. A product is more than the product. It is a cohesive, integrated set of experiences. Think through all of the stages of a product or service – from initial intentions through final reflections, from first usage to help, service, and maintenance. Make them all work together seamlessly.” - Donald Norman

Für Norman stellt die User Experience jeglichen Beührungspunkt zwischen den Nutzern und dem Produkt oder Service dar. Dies bedeutet, dass nicht nur die Nutzung als solche zur Nutzererfahrung zählt, sondern auch Dinge wie die erste Sichtung des Produktes, der Kauf, die Verpackung, das Handbuch – ja, selbst der Diskurs mit anderen über das Produkt ist ein Teil davon.

Hierdurch wird auch deutlich, warum die User Experience ein wesentliches Puzzlestück vom noch großflächiger angelegten Service Design ist. Während sich die UX hauptsächlich auf die einzelnen Berührungspunkte fokussiert, wird beim Service Design die gesamte End-to-End-Erfahrung miteingeschlossen. Dies betrifft somit die gesamte Planung und Organisation aller materiellen sowie immateriellen Ressourcen eines Unternehmens – von den Teams über die physische Infrastruktur bis hin zu Prozessen.

Die Verknüpfung verschiedener Disziplinen

Bei der UX geht es also in erster Linie – wie der Name bereits verrät – um die Nutzer und wie sie das Produkt/den Service wahrnehmen, mit welchen Erwartungshaltungen sie ihm gegenübertreten und welche Emotionen sie dabei verspüren. Dies veranschaulicht auch bereits den Unterschied zwischen User Experience (DIN EN ISO 9241-210) und Usability (DIN EN ISO 9241-11): Während sich die Usability recht pragmatisch schlicht mit der Nutzungs- bzw. Gebrauchstauglichkeit befasst, beinhaltet die User Experience das gesamte Nutzererlebnis, welches weit über die reine Verwendung des Produktes hinausreicht.

Usability ist somit nur eine von vielen Teildisziplinen, die unter dem ganzheitlich ausgerichteten Ansatz der UX berücksichtigt werden müssen. Neben der Usability zählen hierbei zuvorderst auch Komponenten wie die Informationsarchitektur (die zielführende Organisation und Strukturierung von Inhalten und Informationen), das Interaction Design(die Gestaltung wie Mensch und Machine miteinander kommunizieren) sowie das Visual Design (die ästethische und strategische Platzierung visueller Elemente).

Man könnte auch sagen; während sich die einzelnen Disziplinen hauptsächlich mit der Funktionalität (‚What’) oder der Gestaltung eben jener Funktionalität (‚How’) beschäftigen, stellt die UX von Anfang an sicher, dass in jedem Entwicklungsschritt das ‚Why’ als oberste Leitlinie gesetzt ist. Warum sollte sich ein Nutzer für dieses Produkt/diesen Service entscheiden? Welche Motivation, welche Emotionen treiben ihn an und was sind seine zentralen Bedürfnisse?

Ein Generalist unter den Designern

Der ganzheitliche nutzerzentrierte Ansatz macht einen UX Designer gewissermaßen von Haus aus zu einem Generalisten. Er muss alle Prozesse, von der Analyse über die strategische Planung und Architektur bis hin zum Content, verstehen und begleiten. Dabei muss er vor allem mit einer großen Neugierde und Empathiefähigkeit ausgestattet sein, damit er sich in andere Menschen hineinversetzen kann.

Dadurch ist ein UX Designer ein ewig lernender Forscher, der sein Wissen über das menschliche Verhalten und unsere Wahrnahmung stetig erweitert und challenged. Schließlich gibt es nicht ‚den einen Nutzer’, der als gängiger Standard herhalten kann. Und selbst wenn es ihn gäbe, würden verschiedene Einwirkungen wie u.a. technologische Neuerungen dazu führen, dass veränderte Verhaltensmuster und Gewohnheiten auftreten würden, die neu evaluiert werden müssen.

Das Erstellen von Personas oder einem Key Customer ist natürlich trotzdem eine enorme Hilfe im Nutzer- bzw. Zierlgruppenverständnis, jedoch immer unter der gleichen Prämisse des gesamten Design-Prozesses: Iteration. User Experience bedeutet testen, testen und nochmals testen, bis ein Prototyp oder MVP steht. Und wenn ein Prototyp oder MVP den Nutzern bereitgestellt werden kann, werden die neuen Erkenntnisse wieder analysiert, diskutiert und zur nachhaltigen Optimierung aktueller und zukünftiger Produkte und Services genutzt.

Die Voraussetzungen für bestmögliche Produkte & Services

Ohne einen klaren Design-Prozess mit den notwendigen Recherche- und Iterationsphasen ist es nahezu unmöglich, maßgeschneiderte Lösungen und wahrhaft mehrwertige Produkte und Services an den Markt zu bringen. Die Kompetenzen der reinen Produktgestaltungen reichen vor allem in Zeiten der Digitalen Transformation hierfür schlichtweg nicht mehr aus. Das Einbinden des ganzheitlichen Ansatzes der User Experience hilft nicht nur dabei, bessere Lösungsansätze zu finden, sondern bietet von Anfang an die Möglichkeit der Validierung eigener Ideen und mindert damit das Risiko bereits frühzeitig mit einem Vorhaben zu scheitern.

Bei forwerts verstehen wir UX als essentiellen Teil des Service- und Produkt-Designs, deshalb stehen bei uns stets die Nutzer digitaler Prozesse im Fokus des Geschehens. Am Ende sind sie es, die über den Erfolg oder Misserfolg eines Produktes oder Services entscheiden – also sollten ihren Bedürfnissen, Wahrnehmungen und Emotionen auch immer Gehör geschenkt werden.

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