Digitale Mobilität – Wie neue Technologien unsere Fortbewegung verändern

Veröffentlicht am 10. September 2021

Sophia Meier

Der Lebensraum muss der Mobilität untergeordnet werden! Dies war eine nahezu einhellige Meinung, auf die man im Deutschland der 60er Jahre traf. Verantwortlich für diesen Aufschrei: der Siegeszug des Automobils – Das Statussymbol; Das Aushängeschild unserer Wirtschaft; Das Versprechen auf Freiheit und Selbstbestimmung. Mobilität bedeutete autogerecht.

Sechzig Jahre später ist von der damaligen Euphorie immer weniger zu spüren. So will die Mehrheit der Deutschen nicht mehr so stark auf das Auto angewiesen sein und das Gros der jungen Städter sieht den Führerschein sowieso nur noch als optional an. Natürlich ist das Auto immer noch mit Status verbunden und gerade in ländlichen Bereichen steht es weiterhin für eine Freiheit, die oftmals mangels Infrastruktur nur durch einen eigenen Wagen erreicht werden kann. Jedoch spielen Faktoren wie Gesundheit, Umwelt und Lebensraum eben nicht mehr nur eine untergeordnete Rolle.

Die Mobilität befindet sich im Wandel – und wird im Zeitalter der Digitalisierung weiter gedacht. Es geht nicht mehr nur darum, schlicht von A nach B zu kommen, sondern um das Wie. Wie kann ich mich in der Welt einfacher, ressourcenschonend und zielgerichtet fortbewegen? Und vor allem, wie können mich Technologien sowie intelligent vernetzte Anwendungen hierbei unterstützen, damit den Anforderungen und Bedürfnissen einer modernen, digitalen Gesellschaft Rechnung getragen wird?

„Anstatt das Automobil immer weiter zu entwickeln, sollten wir uns überlegen, wie wir Mobilität in Zukunft anders gestalten.“

Mobilität in digitalen Zeiten – Ortsunabhängig multimedial

Waren zu Beginn des 21. Jahrhunderts Autos mit Navigationsgeräten noch ein recht seltener Anblick, sprechen wir heute dank immer ausgefeilterer Sensortechnik und Echtzeitdaten von hochautomatisierten Assistenzsystemen, welche die einfache Wegfindung weit überschreiten. Selbst Einparkhilfen sind für viele bereits Schnee von gestern, wenn die Automobilindustrie in immer kürzer werdenden Abständen neue Errungenschaften hinsichtlich des autonomen Fahrens oder der Gestensteuerung präsentiert.

Das Navi hat sich hierbei sowieso schon längst vom Auto gelöst. Wir tragen es ja als ständigen Begleiter in der (Hosen-)Tasche mit uns herum. Das Auto wird dadurch vielmehr zur Erweiterung des Smartphones und nicht umgekehrt. Über Anwendungen wie z.B. Apple CarPlay, Android Auto und MirrorLink können Smartphones direkt an moderne Infotainment-Systeme angebunden und deren Oberfläche auf dem Display digitalisiert werden, wodurch der Zugriff auf Karten, Musik oder anderweitige Applikationen des eigenen mobilen Devices kinderleicht wird.

Der Nutzer will seine mobilen Endgeräte – egal ob Smartphone, Tablet oder Laptop – schlicht integriert wissen, da sie bereits tief verwurzelt in unserem Alltag sind und sie uns stets auf unseren Reisen begleiten. Dank einer zwar noch nicht optimalen, aber zumindest hinreichenden Mobilfunknetz-Infrastruktur, können wir so ortsunabhängig in virtuelle Welten abtauchen, in denen wir nach Unterhaltung und Kontakt suchen, uns organisieren oder der Arbeit nachgehen.

Der Mensch ist heute multimedial unterwegs und erwartet daher, dass auch die physischen Räume, in denen er sich bewegt, diese gelebte Multimedialität unterstützen. Bei der digitalen Mobilität geht es deshalb darum, das Grundbedürfnis des Menschen nach sozialen Kontakten und Mobilität unter Miteinbeziehung der neuen, digitalen Gegebenheiten zu befriedigen. Eine hochfunktionale technische Infrastruktur ist für die Mobilität der Zukunft dabei genauso unabdingbar wie ein klarer Fokus auf Transparenz und Datenschutz, damit neue Mobilitätskonzepte angenommen werden und prosperieren können.

 

Neue Mobilitätsszenarien unterstützt durch digitale Services

Durch neue Markteintritte und Technologien im Zuge der zunehmenden Vernetzung und schnelleren Datenverarbeitung, entwickeln sich moderne Mobilitätsszenarien, welche das Reisen sowohl effizienter als auch umwelt- und benutzerfreundlicher gestalten:

Öffentlicher Personennahverkehr: Im ÖPNV können durch Echtzeitdaten und Georeferenzierung (raumbezogene Daten) Tarif- sowie Fahrplanauskünfte inklusive Verspätungsinformationen direkt an die Nutzer übermittelt werden. E-Tickets samt Terminals zum einfachen Check in und Check out sind bereits in vielen Verbünden Standard und es wird vermehrt an multimodalen Angeboten gefeilt, welche das Kombinieren von unterschiedlichen Verkehrsmitteln erlaubt (übergreifende Anschlussverbindungen, P+R Angebote etc.).

Sharing-Modelle: Teilen statt besitzen ist das Motto hinter Mobility as a Service, der europaweit immer beliebter wird. Hierbei können dank digitaler Services von verschiedenen Mobilitätsanbietern Pkws, Motorroller, Fahrräder, E-Scooter oder auch Baufahrzeuge flexibel ausgeliehen werden. Dies erspart Unternehmen sowie Privatpersonen Geld, da sie nur die wirkliche Nutzungsdauer zahlen. Zusätzlich müssen weniger Fahrzeuge in Betrieb genommen werden und deren Auslastung kann viel effizienter gestaltet werden, was gleichbedeutend mit weniger Emissionsausstoß ist.

Autonomes Fahren: In Europa sind wir teilautomatisiertes Fahren (z.B. automatisches Einparken) bereits gewohnt. Autonomes Fahren ist aber nicht so weit entfernt, wie viele vielleicht glauben. In Teilen der USA können Kunden bereits via App Robotertaxis der Google-Tochter Waymo ordern und auch Daimler bietet im Silicon Valley selbstfahrende S-Klassen als Shuttle an. Aktuell sitzen bei beiden Projekten noch Sicherheitsfahrer hinter dem Steuer, die zur Not eingreifen können. Jedoch sind die dokumentierten Fehler bislang so marginal, dass der Vergleich mit einem geübten Fahrer am Steuer schon bald obsolet werden kann.

Die Beispiele zeigen, dass sich die Informationstechnik auf die physische Mobilität auswirkt. Durch ihre Allgegenwärtigkeit in Form von digitalen Endgeräten und Applikation wird den Kunden der Zugriff auf Informationen und die Buchung erleichtert. Gleichzeitig können Verkehrsbetriebe und Mobilitätsanbieter auf Grundlage von Nutzungs- und Verkehrsdaten neue Angebote auf den Markt bringen, die das Reiseerlebnis effizienter und ressourcenschonender gestalten.

Die spürbare Nutzungsflexibilität wird dabei in Zukunft jedoch noch weiter ausgebaut werden müssen. Bund, Länder und Kommunen beschäftigen sich bereits damit, wie die verschiedenen Mobilitätsanbieter samt ihrer Plattformen eng mit dem ÖPNV und auch miteinander verknüpft werden können. Das Ziel, vorherrschende Insellösungen zu umschiffen und den Nutzern multi- und intermodales Reisen durch ein vollumfänglich integriertes Angebot aller Transportdienstleister zu ermöglichen, ist jedoch verständlicherweise ein hehres.

Gerade die etablierten Mobilitätsriesen wollen natürlich nicht vollkommen auf einen externen Kanal angewiesen sein, der dann, ähnlich wie man es bei Buchungsplattformen für Hotels kennt, für eine unüberbrückbare Abhängigkeit sorgt und, wenn man so will, den Mobilitätsanbieter zu einem reinen Dienstleister degradiert. Deshalb wird die Digitalisierung und neue Mobilitätskonzepte bei allen Anbietern vehement vorangetrieben, um sich vom Wettbewerb zu distanzieren und den Kunden wahrhaft neuartige Reiseerlebnisse zu bieten.

 

Neue Technologien – Neue Lösungen – Neue Reiseerlebnisse

Die allgemein wachsende Sehnsucht nach einer flexiblen Nutzung verschiedener Mobilitätsangebote und neuen Reisemöglichkeiten ist dabei nicht nur mit einem steigenden Umweltbewusstsein verbunden, sondern direkt in den aufkommenden Phänomenen einer digitalen Gesellschaft verankert. So wurde die physische Mobilität gerade im vergangenen Jahr zu einem beträchtlichen Teil durch IT-gestützte Kommunikation ersetzt. Flexibles Arbeiten hat hierbei aufgezeigt, dass viele es sich unter den herrschenden Voraussetzungen erlauben können, sich von einer gewissen Abhängigkeit des stetigen Vorhandenseins eines eigenen Fortbewegungsmittels zu lösen. Zumindest dann, wenn der Bedarf dafür nur in bestimmten Situationen geweckt wird und die Infrastruktur selbigen auch decken kann.

Gleichzeitig verändert die Digitalisierung unsere Wahrnehmung und unser Empfinden von Reisen. Geht es auf Kurzstrecken immer noch hauptsächlich um das schnelle Ankommen, so spielen auf Mittel- und Langstrecken immer mehr Faktoren eine gewichtige Rolle bei der Entscheidungsfindung, die geradezu zu einem Kampf um die Kunden führen. Die Menschen wollen auf ihren Reisen einen Mehrwert haben und Erfahrungen sammeln, die sie selbst mitbestimmen. Die barrierefreie Nutzung von Mobilgeräten sowie der einfache Zugriff auf Unterhaltungs- und Informationsmedien ist dabei nur der Beginn der neuen Anforderungen.

Wie z.B. ein Reiseerlebnis mit einem Zug in Zukunft ausschauen könnte, zeigt die Deutsche Bahn mit ihren Ideenzug-Projekten:

S-Bahn Stuttgart: Um den Mobilitätsbedürfnissen gerecht zu werden, werden Ende 2022 die S-Bahnen mit zusätzlichen Mehrzweckabteilen für Fahrräder optimiert. Die Abteile sind vollständig mit Klappsitzen und Elementen zum Anlehnen ausgestattet, um sowohl Radfahrern als auch Kinderwagen und Rollstuhlfahrern den Zugang zu erleichtern und eine angenehmere Reise zu gewährleisten. Zusätzlich sind die neuen Wagen mit Steckdosen und 20 Monitoren ausgestattet, um den Reisenden Aufladestationen für ihre Mobilgeräte oder E-Bikes zu bieten und die Reisendeninformationen übersichtlicher zu gestalten.

Südostbayernbahn: Der Umbau eines Doppelstockwagons soll im kommenden Jahr auf der Strecke zwischen München und Mühldorf am Inn neun Themenwelten der Ideenzug-Module erlebbar machen. Unter anderem wird es hier ruhige Bürokabinen geben, in denen große Bildschirme mit dem eigenen Gerät verbunden und als Arbeitsstation genutzt werden können. Im Stammtischbereich gibt es erhöhte Sitze wie in einer Bar sowie einen Bildschirm, der über aktuelle Großereignisse informiert. Und während im Entspannungsbereich Panoramasessel für eine gemütliche Wohnzimmeratmosphäre sorgen, passt im Familienbereich Groß und Klein gemeinsam an den Spieltisch.

Die Projekte des Ideenzugs fokussieren sich auf ein modulares Design, um die individuellen Bedürfnisse und Erwartungen verschiedener Reisenden miteinzubeziehen. Und um dieses Miteinbeziehen wird es auch bei der allgemeinen Gestaltung der Mobilität der Zukunft gehen. Denn die Verschmelzung physischer Räume mit digitalen Technologien ist bereits in vollem Gange und offeriert uns neue Möglichkeiten unser Leben zu vereinfachen, nachhaltige Impulse zu setzen sowie Probleme wie verstopfte Straßen in immer weiter wachsenden Metropolen oder mangelnde Infrastruktur in ländlichen Gebieten zu lösen. Digitale Mobilität bedeutet deshalb verantwortungsbewusst mit dem technologischen Fortschritt umzugehen und Reiseerlebnisse zu erschaffen, die nicht nur einem Selbstzweck dienen, sondern sowohl Mensch als auch Umwelt einen wahrhaftigen Mehrwert bieten.

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