Open Desk – Kurzweilige Modeerscheinung oder effiziente Arbeitsweise der Zukunft?

Veröffentlicht am 17. March 2023

Mira Wienand

Neben veränderten Geschäftsmodellen und dem Aufbrechen traditioneller Organisationsstrukturen geht es im Zuge der Digitalisierung auch immer mehr um die Transformation der Arbeitswelt. Gerade die vergangenen Jahre haben vielen Unternehmen notgedrungen aufgezeigt, dass Homeoffice und Remote Work sehr gut funktionieren können und dass flexible Arbeitsmethoden flexible Arbeitsmodelle verlangen.

Eines dieser Modelle, das den Büroarbeitsplatz auch weiterhin als unüberbrückbaren Ort des Austauschs und Wissenstransfers ansieht, ist das sogenannte Open-Desk- oder Hot-Desking-Modell. Hierbei wählen die Mitarbeiter in der Regel täglich einen neuen Arbeitsplatz frei aus, den sie am Tagesende wieder verlassen und geordnet hinterlassen.  Ein fester Arbeitsplatzbereich wird demnach nicht mehr vergeben, da die Desks/Schreibtische geteilt und je nach Bedarf genutzt werden sollen.

Das dahinterstehende Konzept fand bereits Ende der 80er Jahre erste Umsetzungen und erlangte eine gewisse Bekanntheit, als sich ihm Tech-Giganten aus dem Silicon Valley wie Google oder Meta (damals Facebook) verschrieben. Mittlerweile hält Open Desk auch in immer mehr großen deutschen Unternehmen wie z. B. Siemens, dem ADAC oder der Lufthansa Einzug und auch viele mittelständische Unternehmen haben das neue Arbeitsmodell bereits eingeführt. Sie alle erhoffen sich dadurch eine höhere Flexibilität, Kostenersparnisse und das Vermeiden von Leerständen. Aber welche Bedingungen sind überhaupt an die erfolgreiche Umsetzung von Open Desk geknüpft? Und wie stellen sich sowohl aus Arbeitgeber- als auch aus Arbeitnehmersicht die Vor- und Nachteile dar?

 

Vor- und Nachteile – Eine Frage der Perspektive

Open Desk funktioniert nur dann, wenn auch tatsächlich jedem Mitarbeiter die gleichen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Dies bedeutet, dass zum einen jeder Arbeitsplatz in Sachen Ausstattung und Funktionalität identisch ist und zum anderen jedem Mitarbeiter die technischen Mittel zur Verfügung gestellt werden, um digital von jedem Platz aus arbeiten zu können. Jeder muss die gleichen Bedingungen beim Arbeitsstart vorfinden und am Ende eines Arbeitstages seinen Platz ganz im Sinne einer Clean Desk Policy, also einem aufgeräumten und sauberen Arbeitsplatz, wieder verlassen, damit keine Benachteiligungen entstehen.

Werden diese Bedingungen erfüllt, liegen die Vorteile für den Arbeitgeber mehr oder minder auf der Hand. Da nicht alle Mitarbeiter immer gleichzeitig anwesend sind und somit weniger Arbeitsplätze bereitgestellt werden müssen, kann die Bürofläche reduziert werden. Dies führt im Durchschnitt dazu, dass bis zu 30 Prozent eingespart werden können, wenn es um Raum- bzw. Miet-, Energie- und Büroausstattungskosten geht. Zudem kann sich das Unternehmen mit einem positiven Employer Branding schmücken, da das mit Tech-Giganten assoziierte Konzept Modernität und ein fortschrittliches Denken ausdrückt.

Die möglichen Nachteile hängen hingegen eng mit der Sichtweise der Arbeitnehmer zusammen. Menschen ist es schließlich oft ein Dorn im Auge, sich von Gewohnheiten zu trennen, und der Verlust eines individuellen Arbeitsplatz ist somit für viele eine große Herausforderung. Für sie stellt Open Desk zunächst einmal einen zusätzlichen Aufwand dar, der zuvor nicht im Ansatz existierte. Der Arbeitsplatz muss plötzlich morgens gesucht oder idealerweise im Voraus gebucht und jeden Tag müssen aufs Neue Stuhl, Tisch, Bildschirm etc. korrekt auf die eigenen Bedürfnisse eingestellt werden – vom Transport des notwendigen Equipments wie Laptop, Maus, Mauspad etc. ganz zu schweigen. Die oftmals steril wirkende Umgebung, in der persönliche Gegenstände wie Bilder und anderweitige Dekorationen keinen Platz mehr haben, trägt dann ihr Übriges dazu bei, dass sich die Mitarbeiter unwohl oder gestresst fühlen können und in manchen Fällen nur schwerlich mit der neuen Arbeitsplatzsituation zurechtkommen.

Demgegenüber steht, dass der Büroaufenthalt nun u. a. im Zeichen der Abwechslung steht. Da der Arbeitsplatz nicht fest ist, entstehen viel mehr Möglichkeiten des Kennenlernens der anderen Mitarbeiter und vor allem des Austauschs untereinander. Barrieren fallen häufig leichter und die Kommunikation lässt sich einfacher fördern, wenn die Platznachbarn nicht mehr zu den üblichen Verdächtigen gehören, sondern Kollegen aus anderen Bereichen darstellen, die über ihre Herausforderungen und Arbeitsweisen berichten können. Dies erhöht den abteilungsübergreifenden Informationsfluss und kann auch dazu beitragen, dass Hierarchieebenen abgebaut werden und sich die Teamstruktur stärker festigt.

Schlussendlich hängt der Umgang mit dem neuen Arbeitsmodell sowie dessen Für und Wider natürlich stark vom Charakter der einzelnen Personen ab. Eine introvertierte Person mag zunächst in Schockstarre verharren, wenn sie am Arbeitsplatz auf unbekannte Sitznachbarn trifft. Gleichzeitig kann man hierin aber auch eine Chance sehen, dass zwangsläufig neue Möglichkeiten entstehen, um aus diesem vielleicht eher zurückhaltenden Wesen herauszubrechen. Es kann auch gut sein, dass einige womöglich einen nicht personalisierten Arbeitsplatz präferieren, da sie ohnehin eine strikte Trennung von Privatem und Beruflichem pflegen, wogegen wiederum andere das Büro nun vermehrt zum kreativen Austausch nutzen, da sie den Fokus auf die selbstständig zu verrichtende Arbeit leichter im Homeoffice legen können. Flexible Arbeitsbedingungen erfordern schlichtweg Anpassungen und Open Desk bildet hierbei keine Ausnahme.

 

Regeln und Hilfsmittel – Eine zielgerichtete Open Desk Policy

Wie jedes zu etablierende Arbeitsmodell benötigt das Umsetzen von Open Desk Regeln, die den Umgang mit dem neuen Modell und auch untereinander transparent sowie verbindlich gestalten. Eine Buchungssoftware sollte nicht nur die Platzbuchung so einfach wie möglich machen, sondern auch Einsicht darüber bieten, wer wann wo im Office ist. Der abteilungsübergreifende Austausch ist zwar gewollt, jedoch gibt es häufig natürlich gute Gründe dafür, es zu ermöglichen, dass das Team, das gerade an einem Projekt arbeitet, auch zusammensitzt. Dies kann durch eine Buchungssoftware berücksichtigt werden. Die Buchung sollte derweil möglichst frühzeitig, spätestens zum Feierabend des Vortags, vonstattengehen, damit eine gewisse Planbarkeit herrscht und Stress oder Platzkämpfe am Morgen vermieden werden.

Zudem bedeutet das gleiche Ausstatten der Arbeitsplätze nicht, dass die Arbeitsplätze nicht attraktiv gestaltet werden können. Höhenverstellbare Tische, Ladeanschlüsse für verschiedenen technische Geräte und anpassbare Monitore sollten zum Standard gehören. Das Bereitstellen von gängigen Büromaterialien an zentralen Plätzen sowie das Nutzen von Spinden können weiterhin dafür Sorge tragen, dass die grundlegenden Utensilien für die Arbeit zur Verfügung stehen und nicht immer alles aus dem Büro nach Hause getragen und am nächsten Tag wieder mit ins Büro gebracht werden muss. Ausreichend Konferenzräume zum Abhalten von Meetings sowie Telefonzellen zum Ausführen datenschutzkonformer Telefonate gehören derweil ebenso zu Open Desk, um Rückzugsorte für die Teams zu schaffen und die Privatsphäre zu schützen.

Generell empfiehlt sich für alle Unternehmen, die mit Open Desk arbeiten, eine Teamkultur mit Clean Desk Policy, wie sie auch bei forwerts etabliert wurde, zu schaffen. In der Regel werden nämlich die eigenen Sachen besser gepflegt als Sachen der Allgemeinheit. Deshalb muss es für alle verbindlich sein, dass der Arbeitsplatz am Ende des Tages aufgeräumt verlassen wird. Dies bedeutet auch, die Tische und Stühle auf eine einheitliche Höhe zurückzustellen und Oberflächen zu desinfizieren. Keiner will sich schließlich bei Arbeitsbeginn unnötig lange mit der Reinigung und Einrichtung des Arbeitsplatzes beschäftigen.

 

Ein Modell der Zukunft?

Inwiefern Open Desk wahrhaftig Zukunft hat lässt sich nicht pauschal beantworten, da der Erfolg dieses Konzepts stark von der jeweiligen Unternehmenskultur und dem versprochenen Nutzen für das Unternehmen abhängt. Bei kleinen Unternehmen fallen die Einsparungen hinsichtlich der Räumlichkeiten zumeist sehr gering aus, sodass die Umsetzung zumindest unter dem finanziellen Aspekt keinen Sinn macht. Mittelständler und Großunternehmen können hierbei natürlich eher im großen Stil Ressourcen sparen und die Flexibilität des Modells besser für sich ausreizen, da Remote Work heutzutage sowieso in den meisten größeren Unternehmen etabliert ist.

Langfristig durchsetzen kann sich Open Desk aber nur, wenn das Modell auf allen Ebenen gelebt wird und die Bedingungen wirklich auf dem Prinzip der Gleichheit beruhen. Arbeitgeber müssen sich auch bei Open Desk an die Arbeitsplatzgesetze halten und vor allem die Mitarbeiter mitsamt ihren Bedürfnissen in die Planung des neuen Modells einbeziehen. Eine kreative sowie innovationsfreudige Arbeitskultur, die durch Effizienz und einen erhöhten Wissenstransfer besticht, kann auch bei Open Desk nur dann entstehen, wenn sich alle Mitarbeiter und Führungskräfte dem neuen Modell verschreiben und es immer wieder hinterfragen und herausfordern, um es einer bedarfsgerechten Optimierung zu unterziehen und den wachsenden Anforderungen des digitalen Zeitalters anzupassen.

 

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Quellen:

arbeitsrechte.de

karrierebibel.de

placetel.de

en-academic.com

avantgarde-experts.de

 

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